Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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30 3. Geodätische Argumente.

älteren Längenbestimmungen in Nordamerika bereits auf telegraphi-schem Wege mit dem Kabel gewonnen wurden. Zum Entgelt ist aber die zu erwartende Änderung hier sehr klein. Unsere Tabelle gibt dafür etwa l m pro Jahr, aber diese Zahl gilt als Mittel seit dein Abriß Neufundlands von Irland. Seitdem dürfte aber eine Bewegungsänderung Nordamerikas durch den Abriß von Grönland (der noch im Gange ist) eingetreten sein, vermutlich in dem Sinne, daß Nordamerika seitdem relativ zur Unterlage mehr nach Süden gleitet. Dies scheint aus der heutigen relativen Lage der korrespondierenden Kostenpunkte von Labrador und Südwestgrönland hervorzugehen und wird auch bestätigt durch die Sprungrichtung bei der Erdbebenspalte von San Franzisko sowie die beginnende Stauchung der kalifornischen Halbinsel. Es läßt sich deshalb schwer sagen, wie groß der zu erwartende heutige Längenzuwachs ist; jedenfalls dürfte er noch etwas kleiner sein als der berechnete Wert von l m pro Jahr. Aus den älteren, mit dem Kabel gewonnenen transatlantischen Längenbestimmungen von 1866, 1870 und 1892 hatte ich seinerzeit auf eine tatsächliche Vergrößerung des Abstands um sogar 4 m im Jahre geschlossen. Nach Galle [177] soll dies Ergebnis aber auf einer ungünstigen Kombination der Messungen beruhen. Diese Kombination ist aus dem Grunde schwierig, weil diese älteren Messungen sich nicht auf die gleichen Orte in Europa und Nordamerika beziehen, so daß noch die Längenunterschiede innerhalb der Kontinente zu berücksichtigen sind, für die man auf verschiedenen Wegen etwas verschiedene Ergebnisse erhält, was das Resultat beeinflußt. Kurz vor dem Weltkrieg war mit Rücksicht auf unsere Frage eine neue Längenbestimmung mit Amerika im Gange, die auch durch eine funkentelegraphische Messung kontrolliert wurde. Obwohl die Messung durch Zerschneiden des Kabels bei Kriegsbeginn vorzeitig abgebrochen wurde und infolgedessen das Resultat nicht die wünschenswerte Genauigkeit besitzt, scheint doch daraus hervorzugehen, daß die Veränderung noch zu klein ist, um sich schon jetzt mit Sicherheit nachweisen zu lassen. Es wurde nämlich für den Längenunterschied Cambridge—Greenwich gefunden [178]:

1872........4h 44m 31,016s

1892........4 44 31,032

1914........4 44 31,039

Die älteste Bestimmung, für welche ich 4h 44m 30,89" gefunden hatte, ist hier als angeblich zu ungenau fortgelassen worden.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003