Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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2. Das Wesen der Verschiebungstheorie. 11

der betont, „daß eine Erklärung der Gebirgsbildung mit großartigen tangentialen Rindenbewegungen rechnen muß, die sich nicht in den Vorstellungskreis der einfachen Kontraktionstheorie einfügen lassen". Für Asien hat insbesondere Argand [20] in einer umfangreichen Untersuchung, auf die wir noch weiter unten zurückkommen werden, ganz entsprechende Vorstellungen entwickelt, wie er selbst und Staub für die Alpen. Jeder Versuch, diese gewaltigen Zusammen-schübe der Rinde auf eine Temperaturerniedrigung des Erdinnern zurückzuführen, muß scheitern.

Aber sogar die scheinbar selbstverständliche Grundannahme der Kontraktionstheorie, nämlich daß die Erde sich ständig abkühle, ist durch die Entdeckung des .Radiums, völlig ins Wanken geraten. Dieses Element, durch dessen Zerfall fortwährend Wärme entsteht, ist nämlich in den uns zugänglichen Gesteinen der Erdrinde überall in meßbaren Mengen enthalten, und die zahlreichen Messungen führen zu dem Schluß, daß, wenn auch das Innere der Erde den gleichen Radiumgehalt hätte, die Produktion von Wärme unvergleichlich viel größer sein müßte als ihre Abfuhr nach außen, die wir durch die Temperaturzunahme mit der Tiefe in Bergwerken bei Berücksichtigung der Leitfähigkeit der Gesteine kontrollieren können. Das hieße aber so viel, daß die Temperatur der Erde dauernd im Steigen sein müßte. Allerdings legt die sehr geringe Radioaktivität der Eisenmeteoriten nahe, daß auch der eiserne Kern der Erde vermutlich viel weniger Radium enthält als die Rinde, so daß dieser paradoxe Schluß vielleicht vermeidbar ist; aber jedenfalls kann man heute den thermischen Zustand der Erde nicht mehr wie früher als die augenblickliche Phase im Abkühlungsprozeß einer früher viel heißeren Kugel betrachten, sondern viel eher als einen Gleichgewichts-zustand zwischen der radioaktiven Wärmeproduktion des Erdinnern und der Wärmeabgabe an den Weltraum. Ja die neuesten Untersuchungen über diese Frage, die später eingehender zu besprechen

geglättet . .., so kommen wir notgedrungen mit dem starren Rückland der Alpen viel weiter nach Süden, und die ursprüngliche Distanz zwischen Vorland und Rückland der Alpen ist eine wohl zehn- bis zwölfmal größere gewesen als der heutige Abstand zwischen den beiden." Er fügt hinzu: „Die Schaffung eines Gebirges geht also hier ganz deutlich und zweifelsfrei .auf selbständige Wanderungen größerer, nach ihrem Bau und ihrer Zusammensetzung sicher kontinentalen Schollen zurück, und damit gelangen wir, von der Geologie der Alpen, von der Deckentheorie Hans Schardts, ganz selbstverständlich und ungezwungen zu der Anerkennung des Grundprinzips der großen Wegenerschen Theorie von den Verschiebungen der kontinentalen Schollen."


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003