Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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8 2. Das Wesen der Verschiebungstheorie.

Landbrückentheorie bisher unbeachtet gelassen wurde, aber von größter Wichtigkeit ist: Diese ehemaligen Landverbindungen werden nicht nur für solche Stellen, wie z. B. die Beringstraße, gefordert, wo heute ein seichtes Schelfmeer oder Transgressionsmeer die Kontinente trennt, sondern auch für heutige Tiefseegebiete. Alle vier Beispiele unserer Abb. l betreffen solche Fälle. Sie sind mit Absicht ausgewählt, weil gerade bei ihnen die neuen Gedankengänge der Verschiebungstheorie einsetzen, wie noch zu zeigen ist.

Da man bisher als selbstverständlich voraussetzte, daß die Kontinentalblöcke — seien sie trocken oder seien sie überflutet -ihre relative Lage zueinander die ganze Erdgeschichte hindurch un-

Abb. 2.

Verteilung von Wasser (schraffiert) und Land zur Karbonzeit nach den üblichen Vorstellungen.

verändert beibehalten hätten, so blieb natürlich nichts weiter übrig, als anzunehmen, daß die geforderten Landverbindungen in Gestalt von Zwischenkontinenten vorhanden gewesen waren, die später, als der Austausch der Landfauna und Landflora aufhörte, unter den Meeresspiegel versanken und heute den Boden der zwischenliegenden Tiefsee bildeten. So entstanden die bekannten paläogeographischen Rekonstruktionen, von denen Abb. 2 ein Beispiel für die Karbonzeit gibt.

Diese Annahme versunkener Zwischenkontinente war in der Tat die nächstliegende, solange man auf dem Boden der Lehre von der Kontraktion oder der Schrumpfung der Erde stand, auf die wir im folgenden etwas näher eingehen müssen. Diese Lehre entstand in Europa; sie wurde namentlich von Dana, Albert Heim und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003