Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Tjekiba.

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Durchschwimmt man in kräftigen Stößen den Fall, so gelangt man in eine kleine Grotte, in welcher man durch den Wasserfall von der übrigen Welt abgeschlossen ist.

Meine Zeit in Ambon war abgelaufen. Der Februar näherte sich seinem Ende, am 26. wurde der Dampfer Both erwartet, auf dem ich die Banda-Inseln besuchen und dann meine Heimreise antreten wollte. Am 25. war der Haupttag des chinesischen Neujahrsfestes, malayisch taün baru tjina, welches acht Tage dauert. Am Nachmittag war teng-teng, das heißt große Ausfahrt der Chinesenkinder, die bei dieser Gelegenheit großartig ausgeputzt in phantastisch geschmückten Wagen von Kulis spazieren gefahren wurden. Abends waren alle Chinesenhäuser erleuchtet und die jungen Burschen von Ambon zogen von Haus zu Haus und tanzten in scherzhaften Verkleidungen einen komischen Tanz, den sie als tjekiba bezeichnen. Auch vor mein Haus kamen sie in später Nacht und fragten mich, ob ich ihren Tanz wohl mit ansehen möchte. Ich erwartete etwas Interessantes, Nationales zu sehen, erblickte aber statt dessen acht Paar dunkelhäutige Menschen, von denen die großen und bärtigen Individuen sich in Galauniformen europäischer Generale und Admirale gesteckt hatten, die kleineren, bartlosen trugen weiße Ballkleider und sahen von weitem wie elegante Damen aus. Nähere Betrachtung aber belehrte, daß sie nichts anderes waren als echt ambo-nesische Tunichtguts, die die Frauenrolle übernommen hatten, weil kein Mädchen bei der tjekiba mittanzen will. Der Tanz ist eine verstümmelte Française, zu der das Kommando in einem vollkommen ambonisierten Französisch gegeben wird. Zum Schluß begleiteten sie ihren Reigen mit Händeklatschen und sangen das ambonesische Lieblingslied, das man damals, gleich einem neapolitanischen Piedigrottalied, überall in der Stadt hören konnte, wohin man kam.

Woher diese Melodie stammt, weiß ich nicht, jedenfalls ist sie europäischen, vielleicht portugiesischen oder spanischen Ursprungs. Daß sie nicht in Ambon gewachsen ist, erscheint mir sicher.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003