Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Trinkfrohe Mohammedaner. 497

mir ganz. Dennoch verschwanden meine Konserven reißend, und ich beschloß deshalb; dieselben unter Verschluß zu nehmen, und bat die Wirtin des Hauses, mir einen passenden Schrank einzuräumen. Sie war dazu gern bereit, sagte mir aber, als ich mit allem fertig war: »Ikin stiehlt auch Reis, Butter, alles was er bekommen kann.« Als ich ihr weiter zuredete, teilte sie mir mit, daß sie und ihr Vater schon lange beobachtet hätten, daß der Javaner das Stehlen im großen Maßstabe betreibe. Er verkaufe die Sachen nicht, sondern schenke sie ein paar malayischen Schönen, mit denen er in nähere Beziehungen getreten war. Überhaupt liebte er es, den großen Herrn zu spielen, und hatte zum Beispiel den Fischer Udin zuweilen zu einer Flasche meines Weins eingeladen, den die beiden Mohammedaner denn auch ohne religiöse Skrupel und im besten Einvernehmen vertilgt hatten. Das war mir denn doch zu arg. Der Bursche suchte sich auch gar nicht zu verteidigen, sondern gab gleichmütig alles zu, was ihm vorgeworfen wurde. Ich besann mich nicht lange, sondern schickte ihn mit dem nächsten Dampfer, der Ambon verließ, nach Java zurück, was mich schweres Geld kostete. An seiner Stelle wurde Eduard als mein Diener installiert.

In den ersten Wochen meines Aufenthalts widmete ich mich ganz dem Studium der Meerestiere, deren Artenreichtum und Formenschönheit in der Bai von Ambon ganz unvergleichlich ist. Ambon ist berühmt durch seine schönen vielgestaltigen Conchilien, und war es ehedem noch mehr, als die Zoologie wesentlich im Sammeln von Tierbälgen und Schneckenschalen bestand und ein zoologisches Museum gleichbedeutend war mit einer »Raritätenkammer«. Ein hervorragender Zoologe jenes alten Stils, Georg Everhard Rumph, lebte lange Zeit auf Ambon und veröffentlichte im Jahre 1705 ein Buch, das sich durch vortreffliche Beobachtung, naive aber interessante Darstellung und vorzügliche Abbildungen auszeichnet: »D'Amboinsche Rariteitkamer, of eene Bescryvinge van allerhand Schaalvischen; be-nevens de voornaamste Horntjes en Schulpen.« Rumph ist auf Ambon bestattet, und ein einfaches Grabdenkmal erinnert an die Verdienste des ausgezeichneten Mannes.

Mich interessierten allerdings weit weniger die genau bekannten Schnecken und Muscheln der Insel, als die übrigen Meeresbewohner, und täglich unternahm ich in einem kleinen Einbaumboot, das zwei Ausleger besaß und vor dem Wind segeln konnte, mit Udin und zwei andern Fischern Ausfahrten nach allen Punkten der Außen- und Innenbai. Bei Windstille ist das Wasser in den Buchten der Außenbai und überall in der Innenbai spiegelglatt, und man vermag vom


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003