Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

486 Von Java um Celebes und die nördlichen Molukken nach Ambon.

bei einem Inselvolke, das selbst so hervorragende Tüchtigkeit und Neigung zur Seefahrt besitzt und das umgeben ist von ändern Völkern, Indiern, Mongolen und Papuas, mit denen es seit vielen Hunderten von Jahren in vielerlei Wechselbeziehung gestanden hat. So entdecken wir bei näherem Zusehen eine Fülle von Verschiedenheiten im Kulturzustande und ganz besonders in den Sprachen, während in körperlicher Beziehung eine bedeutendere Einheitlichkeit herrscht.

Die malayische Physiognomie erinnert an die mongolische, und eine Wurzelverwandtschaft beider Rassen erscheint mir auch sonst aus anthropologischen Gründen im hohen Grade wahrscheinlich. Die Divergenz muß aber eine sehr alte sein, da sich ursprüngliche Beziehungen der malayischen zu den mongolischen Sprachen durchaus nicht auffinden lassen. Dagegen ist ein unverkennbarer näherer Zusammenhang der malayischen mit den polynesischen Sprachen nachgewiesen, und da nun weiterhin die papuanischen Idiome mancherlei malayische und polynesische Elemente enthalten, und es Mischgebiete zwischen Malayen und Polynesiern einerseits, Polynesiern und Papuas andererseits gibt, so wird von manchen Ethnographen die Auffassung vertreten, daß die malayische, polynesische und papuanische Rasse als eine gemeinsame Einheit zu behandeln sei. Und doch sind die hellbraunen, straffhaarigen, brachycephalen Malayen mit den dunklen, wollhaarigen, dolichocephalen Papuas nicht näher verwandt, als wir Europäer mit den Mongolen oder Afrikanern. Nicht nur ihre Körperbeschaffenheit, auch ihre geistige Veranlagung, ihr Temperament und ihr Charakter beweisen das auf das bestimmteste. Man darf eben nicht in diesen Fragen auf ein einzelnes Merkmal hin, wie die Sprache es ist, Verwandtschaften konstruieren, sondern muß ebenso wie in der systematischen Zoologie und Botanik alle Faktoren berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Auf die Möglichkeit, daß die Polynesier durch eine Mischung von Malayen mit Papuas entstanden sind und sich durch selbständige Weiterentwicklung in einem verhältnismäßig isolierten Bezirk zum Range einer eigenartigen Rasse erhoben, noch ehe sie sich über die Inselflur der gesamten Südsee verbreiteten, habe ich schon früher hingewiesen.

Von Kema, das in prächtiger Lage am Fuße des 2000 Meter hohen Vulkans Klabat liegt, steuerten wir in den Golf von Tomin oder Gorontalo hinein und gelangten am nächsten Tage nach Gorontalo an der Mündung des Bolango- oder Tapa-Stroms, der den Abfluß des Sees von Limbotto aufnimmt. Dicht bei der Stadt mündet der


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003