Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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470 Java.

Fragen bedürfen einer längeren Beobachtungszeit oder der Tätigkeit verschiedener Forscher zu ihrer vollständigen Beantwortung.

Am 9. Dezember verließ ich Tjibodas und begab mich zunächst nach Buitenzorg zurück, wo ich einen neuen Diener namens Ikin zum Begleiter auf meiner Molukkenreise engagierte. Am 11. Dezember schiffte ich mich im Dampfer Both der Königlich Niederländischen Packetfahrtgesellschaft von Priok ein. Er war bestimmt, die Fahrt von Batavia an der Nordküste Javas entlang, von da um West- und Nord-Celebes herum über die Molukken und nach Java zurück zu machen, die sogenannte große Molukkentour, zu der er fünf bis sechs Wochen braucht. Ich wollte ihn bis Ambon benutzen. Da er sich aber lange an der Küste von Java aufzuhalten pflegt, fuhr ich zunächst nur bis Samarang mit. Dort verließ ich ihn und hatte drei Tage für den Besuch des Inneren Mitteljavas. Am 16. konnte ich dann das Schiff mit der Eisenbahn, welche Mittel- und Ostjava verbindet, in Surabaja wieder einholen. Meine Tour nach Mitteljava galt vornehmlich dem Besuch der merkwürdigen Tempelbauten, die als Denkmäler einer längst vergangenen Kultur dort stehen geblieben sind.

Von Samarang führt die Bahn bis Amasawa (Willem I). Von da geht es weiter im vierspännigen Wagen durch eine schön kultivierte Gebirgsgegend nach Magelang. Zu unserer Rechten erhebt sich im Nordwesten der mächtige Kegel des Vulkans Sumbing, der eine Höhe von 3300 Meter erreicht, linkerseits im Südosten die zarten Linien des etwas niedrigeren Merapi. Das kleine Gebirgsstädtchen Magelang ist eine richtige zentraljavanische Garnisonstadt. Vier Bataillone liegen hier und ihre Gegenwart bewirkt, daß das Ganze einen stark europäischen Anstrich erhält, europäisch allerdings in dem abgetönten, mit der tropischen Umgebung harmonisierenden Sinne, der die niederländischen Kolonien auszeichnet.

Am nächsten Morgen um 7 Uhr fuhr ich im vierspännigen Wägelchen weiter. Die Straße führt in dem Tal der Flüsse Progo und Ello, die zusammen ihr Wasser an der Südküste Javas ins Meer ergießen. Wir überschreiten den Progo mit unserm Wagen auf einer Fähre und gelangen kurz vor 9 Uhr zum Boro-Budor, der berühmtesten und gewaltigsten aller javanischen Tempelruinen. Wie eine kolossale breite, mächtige und trotzige Festung liegt die dunkelgraue Masse vor uns. Nach 9 Uhr morgens steht die Sonne in den Tropen schon hoch, die Schatten sind nur kurz und so tritt die wenig ausgesprochene architektonische Gliederung, die das Bauwerk besitzt, noch mehr zurück. Günstiger wäre sicherlich die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003