Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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466 Java.

Gipfel an. Zunächst führte unser Weg noch durch Wald. Eine prächtige Rhododendronart kommt hier vor, nicht das Rhododendron retusum, das weiter unten wächst, sondern eine Goulderia mit roten Blättern an den Spitzen der Zweige und schönen roten Blüten. Je höher wir hinaufkommen, um so niedriger werden die Bäume, um so strauchartiger ihr Wuchs, genau wie wir das in unsern Alpen bei Besteigung eines Hochgipfels beobachten können. Hier sehen wir uns fast ganz von europäischen Pflanzenformen umgeben, und eine Flora umgibt uns, deren Bestandteile sich erst wieder in Tausenden von Meilen Entfernung an den Berghängen des Himalaja und seiner Ausläufer wiederfinden.

Wie sind diese Pflanzen hierher gelangt? Ist es zu glauben, daß der Wind ihre Samen über so ungeheure Entfernungen getragen habe? Man könnte ja denken, daß der Wind fortdauernde Keime auf sehr weite Entfernungen hin verschleppen und daß die Kinder eines gemäßigten oder alpinen Klimas, die auf den Tiefebenen Indiens und an den heißen Küsten der Sundainseln nicht die Bedingungen ihres Gedeihens finden können, sich wohl auf den kühlen Hochgipfeln Javas angesiedelt hätten. Aber dann würde man erwarten, daß jene europäischen oder innerasiatischen Pflanzenformen, die wir auf den Bergen Javas antreffen, auch besonders kleine leichte, mit Flugapparaten versehene Samen hätten. Eine solche Regel läßt sich aber keineswegs für jene Pflanzenformen nachweisen. Der Pic von Teneriffa, der Europa verhältnismäßig nahe liegt, hat keine alpine europäische Flora, und dies würde kaum zu verstehen sein, wenn wirklich der Wind die Berge Javas mit zentralindischen Pflanzen bevölkert hätte.

Die Erklärung ist vielmehr in zwei andern Momenten zu suchen, die durch zahlreiche zoologische und geologische Gründe gestützt sind. Einmal haben wir anzunehmen, daß früher ein direkter Zusammenhang Javas mit Indien bestanden habe, und zwar nicht durch den scheinbar auf der Hand liegenden Verbindungsweg über Sumatra nach Malakka, sondern durch eine Verbindung, die über die Insel Bangka hin direkt nördlich nach Siam hinlief. Allein durch diese Annahme erklärt sich die Tatsache, daß zahlreiche Elemente der javanischen Tierwelt mehr mit denen Zentralindiens, als mit denen Borneos, Sumatras und Malakkas übereinstimmen. Wir haben also anzunehmen, daß zu einer gewissen Zeit, wahrscheinlich im Pliocän und wohl bis in das Pleistocän hinein, Java und Bangka direkt mit der siamesischen Halbinsel zusammengehangen haben.

Für Europa ist mit Sicherheit nachgewiesen, daß es in der


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003