Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Javanische Tierwelt. 463

von der Glocke der Lampe und den weißgetünchten Wänden ablas. Es gelang mir auf diese Weise, eine ganz hübsche Sammlung zusammenzubringen, unter der sich verschiedenes Neue befindet.

Von meinen Ausflügen von Tjibodas aus möchte ich nur den auf den Gipfel des Gedeh-Vulkans hier etwas näher schildern. Die ganze Tour nimmt nur etwa 24 Stunden in Anspruch, aber weil man oben übernachten muß, ist es nötig, warme Decken mitzunehmen, und man hat sich auch mit Mundvorrat zu versehen. Ich nahm deshalb außer Sapiën und Neïbi noch zwei Kulis mit, die das Gepäck zu tragen hatten. Mittags brachen wir auf und gelangten nach einstündigem sanften Ansteigen nach Tjiburum, einem ebenen Flecken mitten im rauhen steil ansteigenden Gebirgswald. Von den schroffen, ganz mit saftigem Grün überzogenen Felsenmauern stürzen sich hier weiß schimmernde Wasserfälle in den kleinen Talkessel. Der Pflanzenwuchs befindet sich eigentlich in einem fortdauernden Sprühregen. An den Rändern der Bächlein, in welchen sich die Wasser der kleinen Fälle sammeln, wächst die prachtvolle Nepenthes Rafflesiana, die durch die purpurnen Farben ihrer Blätterkannen allerlei Insekten, besonders Ameisen, anzulocken versteht. So lange die Kanne jung ist, wird sie durch einen Deckel verschlossen. Sobald sie fertig ausgebildet ist, springt der Deckel auf, die arglosen Besucher haben freien Zugang und ertrinken in der die Kanne teilweise ausfüllenden Flüssigkeit. Ein Entrinnen gibt es nicht, denn die Wände sind durch einen Wachsbelag glatt gebohnt wie ein Parkett. Die Flüssigkeit im Innern der Kanne ist leicht sauer, besitzt aber, so lange kein Insekt hineingefallen ist, keinerlei verdauende Wirkung. Ich habe gesehen, wie die Ambonesen in der Morgenfrühe die Flüssigkeit der eben aufgesprungenen Kannen tranken, und habe sie selbst gekostet. Sie schmeckt angenehm und erfrischend. Auf Ambon nennt man diese Kannen »Tampajan setan«, Satanskrug. Sobald eine Beute in die Falle gegangen ist, ändert sich die Sache. In die Kanne wird zu der schon vorhandenen Flüssigkeit durch besondere Drüsenzellen ein Saft ausgeschieden, der exquisit verdauend wirkt und die Weichteile des unglücklichen Opfers bis auf den unverdaulichen Chitinpanzer zerstört. Die Pflanze kann, wie andere »insektenfressende Pflanzen«, ganz gut auch ohne solche Fleischkost auskommen und sich durch die Fähigkeit ihrer grünen Blattorgane die Stoffe selbst bereiten, deren sie zum Wachstum bedarf. Wie man aber durch Experimente an anderen insektenfressenden Pflanzen festgestellt hat, gedeihen sie alle üppiger und bringen mehr Samen hervor, wenn man ihnen die Fleischkost nicht entzieht. In Europa ist von insekten-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003