Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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460 Java.

verschiedener Richtung schmale Pfade gehauen und diese werden von den Gartenarbeitern durch zeitweiliges Begehen und Abholzen mit dem Haumesser offen gehalten. Darauf beschränkt sich aber der Eingriff, den sich hier der Mensch dem Walde gegenüber erlaubt. In aller Muße kann der Forscher unter den Urwaldriesen wandeln, kann schauen, beobachten und sammeln, ja sogar inmitten der unverfälschten Natur seine Experimente anstellen. Leicht ist es ihm zu einer Stelle, wo sein Versuch im Gange ist, drei- oder viermal am Tage zurückzukehren, denn sein Haus befindet sich ja nur wenige Schritte entfernt. Die fernere Untersuchung kann er dann sofort im Laboratorium vornehmen, das ihm alle chemischen und optischen Hilfsmittel zur Verfügung stellt. Wie gesagt ist das etwas ganz außerordentlich Anziehendes, und war mir völlig neu. Zwar hatte ich schon zuvor viele Urwälder betreten. Die Walddickichte an den Küsten von Neu-Guinea sind nicht üppiger, aber entschieden farbenprächtiger, durch eine reichere Tierwelt belebt, als die Bergwälder Javas. In Australien hatte ich dreiviertel Jahre lang im unberührten Busch verweilt, und zehn Schritte von meinen Zelten begann dort mein Arbeitsfeld. Aber in allen diesen Gegenden hatte man mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen, und die Verhältnisse waren stets derart, daß es unmöglich gewesen wäre, feinere wissenschaftliche Untersuchungen an Ort und Stelle vorzunehmen. Hier nun waren alle Bedingungen dazu vorhanden. Der Untersucher brauchte sich um nichts anderes in der Welt zu kümmern, als um seine Arbeit. Freilich hat auch das Arbeiten unter jenen schwierigen Verhältnissen seinen eigenen Reiz.

Was den Aufenthalt hier noch besonders angenehm macht, ist das Klima. Morgens in der Frühe beträgt die Temperatur gewöhnlich 15 bis 16° C., in der Mittagszeit steigt sie auf 20 bis 21° und abends fällt sie wieder auf 17 bis 18°. Zur Zeit des Ostmonsuns kann die Nachttemperatur noch erheblich tiefer sinken, und der an das Tropenklima Gewöhnte hat sich gehörig mit Decken vorzusehen. Während meiner Anwesenheit in Tjibodas regnete es mit Ausnahme eines einzigen Tages jeden Nachmittag einige Stunden. Für Buiten-zorg ist das Nachmittagsgewitter etwas fast ebenso Regelmäßiges wie Ebbe und Flut an der Küste der Nordsee. Einmal tritt das Gewitter schon um 12 Uhr oder um 1 Uhr ein, das andere Mal erst um 5 oder 6 Uhr, aber kommen tut es, das erwartet man von ihm, und wenn es einmal ausbleibt, was im ganzen Jahre nur etwa ein Dutzend Mal vorkommt, dann jammert Jung und Alt, Europäer und Malaye über die unerhört schlechte Behandlung. In Tjibodas fällt nicht ganz so


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003