Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Landreisen in Java. 459

und so finden wir die Waldränder bedeckt mit buntgefärbten Blumen, ein seltener Anblick in diesen tropischen Bergwäldern. Überall nicken Einem die mächtigen weißen Blüten einer Datura entgegen, daneben Schmetterlingsblütler und rotgefärbte Lantanadolden. Vom Puntjak aus senkt sich unser Weg nach Tjimatjan, Tigerfluß (Tji bedeutet im Sundanischen Fluß, im Malayischen lautet das Wort für Fluß Kali). Die Straße führt von dort über Tjiwalen weiter nach dem Luftkurort Sindanglaja und nach Tjipanas, dem Lustschloß des Generalgouverneurs.

In Tjiwalen muß ich den Wagen verlassen und klettere nun, begleitet von einem Kuli, der mein Gepäck trägt, zu Fuße weiter. Zuerst geht es einen schattenlosen, ziemlich kahlen Bergrücken hinauf, dann nimmt der Wald uns auf, und die ganze Schönheit dieser ewig feuchten Bergdickichte beginnt sich zu entfalten. Mir aber knurrt der Magen und ich habe kein Auge für die Pracht, die mich umgibt und die ich auf wohlgeebnetem Pfade bequem genießen könnte. Es ist 12 Uhr mittags, ich bin heiß, durstig und hungrig und strebe rasch meinem Ziele zu. Der Urwald lichtet sich; wir durchschreiten eine wohlgepflegte kleine Gartenanlage, hier eine prachtvolle Gruppe schön gewachsener Baumfarne, dort ein australischer Grasbaum, dazwischen Beete von javanischen und europäischen Zierpflanzen und Blumen. Das kleine, aus dem Holze des Rasamalabaums erbaute Gartenhaus liegt angelehnt an die sanft ansteigende Bergwand, daneben das Haus des Gärtners und eine Anzahl Nebengebäude. In dem Stationshause, dessen Giebel man auf dem beistehenden Bilde eben noch durch die angepflanzten Bäume schimmern sieht, richtete ich mich häuslich ein und verlebte neun herrliche Tage.

Ich war augenblichlich der einzige Besucher, und das ganze Haus stand während dieser Zeit zu meiner Verfügung. Der europäische Gärtner, Herr Lefèbre, war in den ersten Tagen meiner Ankunft fieberkrank, und so war ich ganz auf mich selbst angewiesen. Einsam war es, aber doch oder gerade deshalb wundervoll. Im Hause genoß man alle Annehmlichkeiten der Kultur, schöne Schlaf-, Wohn-und Eßzimmer, eine kleine Bibliothek, die Herr Dr. Treub mit den Abfällen seiner eigenen großzog, gutes Essen, vor allem ein wohleingerichtetes Laboratorium, indem sich sogar alle Apparate zum Entwickeln der photographischen Aufnahmen vorfanden.

Die Vereinigung von Behaglichkeit, beinah Luxus, mit Weltabgeschiedenheit in der unmittelbaren Nähe einer großartigen, unberührten Natur hat einen besondern Reiz. Durch den Urwald sind in


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003