Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Formensinn und Farbenfreudigkeit.

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Kokosnußgefäß mit eingeritztem Muster.

der abendländischen Kulturvölker bewegt, und denen groteske Formen und schreiende Buntheit der Farben viel mehr zuwider zu sein scheint, als manchen höher kultivierten Völkern. Denn die Form der Mattensegel der Lakatois (Seite 385) möchte ich eher als kühn und genial, denn als grotesk bezeichnen.

Obwohl lokale Verschiedenheiten in Art und Form der Waffen und Geräte demjenigen entgegen treten, der größere Strecken der Insel bereist, ist noch viel auffälliger die Wesensgleichheit der papua-nischen Kunstschöpfungen, und ich war erstaunt über die Ähnlichkeit in allen Hauptpunkten , als ich später in Ternate eine reiche Sammlung ethnographischer Gegenstände von der Nordwestküste Neu-Guineas sah und dieselbe im Geiste mit dem verglich, was ich selbst früher an der Südostküste so oft beobachtet hatte. Ebenso groß ist die Übereinstimmung, wenn man zum Beispiel den ethnographischen Atlas von Finsch, der sich hauptsächlich auf Nordost-Neu-Guinea bezieht, durchmustert.

Wie weit die Papuas von Neu-Guinea in anthropologischer und ethnographischer Beziehung eine einheitliche Rasse darstellen, und wie weit Berührung und Vermischung mit fremden Rassen ihre körperliche Beschaffenheit und ihre Sprache, Sitten und Gebräuche verändert haben, das zu entscheiden ist eine Aufgabe, deren Lösung wir noch recht fern stehen, und die wohl einer ferneren Zukunft vorbehalten sein wird.

Wer sind die Papuas, wo kommen sie her, mit welchen anderen Rassen sind sie verwandt ? Auch dieses interessante Problem ist heute noch ungelöst. Indem wir die Frage ihrer Verwandtschaft mit der kleinen Rasse der Negritos vorläufig ganz auf sich beruhen lassen, können wir mit Bestimmtheit nur sagen, daß eine nähere Verwandtschaft sowohl mit den Malayen als mit den Australiern gänzlich von der Hand zu weisen ist. Von den mesocephalen bis brachycephalen Polynesiern, deren Hautfarbe gewöhnlich viel heller, deren Haar viel weniger kraus ist, unterscheiden sich die Papuas in ausgesprochener Weise. Im Südosten der Insel enthalten die papuanischen Sprachen besonders in ihrem Wortschatz starke Beimengungen von polynesischen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003