Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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4l8 Neu-Guinea. Vom Südkap bis zum Ostkap.

Herr Moreton war so freundlich, meinem Freunde Douglas seine Gastfreundschaft für die Zeit anzubieten, in welcher ich am Ostkap und bei Milne-Bay meinen zoologischen Arbeiten nachgehen wollte. So ließ ich letzteren denn weich gebettet zurück und setzte meine Reise am nächsten Tage früh fort, um noch an demselben Tage das Dörfchen Bou nicht fern vom Ostkap zu erreichen.

Der Wind war uns wie gewöhnlich nicht sehr günstig, und wir hatten in der engen Straße zwischen den Inseln und dem Festland auf und ab zu kreuzen, um vorwärts zu kommen. Unser Kapitän leitete das Manöver und gab bei jedem neuen Schlage mit schläfriger Stimme das Kommando; »'bout ship«. Inzwischen fütterte er eine Anzahl Petaurus, die die Eingeborenen ihm gebracht hatten, und die er in einer kleinen Kiste sorgfältig pflegte, um sie mit nach Thursday Island zu nehmen. Er behauptete immer, daß der einheimische Name dieser Tiere »silly-silly« laute, und pflegte überall, wohin wir kamen, den Eingeborenen von den »silly-silly« zu sprechen und sie aufzufordern, ihm solche zu bringen. Ich bin aber auf meiner ganzen Reise keinem einzigen Stamme auf Neu-Guinea begegnet, der dieses Wort verstanden hätte, und halte es für des wackeren Kapitäns ureigenste Erfindung. Bekanntlich bedeutet das englische Wort »silly« einfältig oder dumm, und Douglas taufte deshalb unsern Piloten mit dessen selbsterfundenen Namen »captain silly-silly.

Während, wie gesagt, die Fütterung jener interessanten Flugbeuteltiere vor sich ging, sah ich, der ich in mein Tagebuch vertieft auf Deck saß, ganz zufällig, daß wir in direkter Fahrt auf das Küstenriff am Festland zuliefen. Ich sprang auf und rief aus Leibeskräften: »'bout ship«, aber ehe der Befehl ausgeführt werden konnte, fuhr die Spitze des Schiffes mit ziemlicher Gewalt auf das Riff auf und blieb dort hängen. Alle Versuche, es flott zu machen, waren vergeblich, das Wasser fiel, und wir mußten uns in das Unvermeidliche fügen und den Eintritt der nächsten Flut abwarten, um loszukommen. Ein Glück war nur, daß an diesem Tage kein starker Wind herrschte und das Meer beinah glatt war. Bei stürmischem Wetter und kräftiger Brandung wäre sicherlich unsere Hekla schwer beschädigt oder ganz zertrümmert worden.

Sorgenvoll verbrachte ich den ganzen Tag, denn wie leicht konnte der Wind sich verstärken, und ein stärker bewegtes Meer zwar nicht uns selbst — wir befanden uns ganz nahe vom Lande —, doch das wackere Schiff und alle meine Sammlungen und Ausrüstungsgegenstände gefährden. Wiederum wie früher auf der Sandbank bei Hula war die nächste Flut zu schwach, um uns flott zu machen. Sie lief


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003