Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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412 Neu-Guinea. Vom Südkap bis zum Ostkap.

Cicinnurus regius, ferner schoß er einen der kolossalen schwarzen Kakadus, Microglossus aterrimus, einen der größten Papageien, die es gibt, und denjenigen, der von allen mit dem gewaltigsten Schnabel bewaffnet ist. Mit diesem Schnabel vermag der Vogel die steinharten Schalen der Kanaribaumnüsse und der Früchte andrer tropischer Waldbäume zu öffnen. Er dient ihm dabei zugleich als Säge, Bohrer und Beißzange, und die ausdehnbare, an der Spitze hornige Zunge benützt er dazu, die Kerne oder das Fleisch aus den angebohrten oder aufgebrochenen Früchten herauszuziehen. Dieser Kakadu lebt weniger gesellig als seine lärmenden weißen Verwandten. Ich sah ihn immer nur vereinzelt oder paarweise, nie in größeren Gesellschaften.

Sehr häufig ist hier der Nashornvogel oder »hornbill«, Buceros plicatus, dessen mächtiger gebogener Schnabel statt eines eigentlichen Hornes nur einen hornigen, mit Querfalten versehenen Wulst besitzt. Im Walde verrät sich die Anwesenheit des Nashornvogels durch das eigentümliche, sehr starke Sausen, das den Flug dieser plumpen und schweren Vögel auszeichnet. Man hört es auf große Entfernungen, und es ist sehr viel stärker als das Geräusch, das etwa ein Pelikan oder ein Schwan im Fluge hervorbringt. Man hat deshalb seine Entstehung ganz besonderen Ursachen zugeschrieben. Es dürfte aber meiner Ansicht nach wohl bloß im Bau der Flügel begründet sein. Die Brutpflege der Nashornvögel ist sehr interessant und merkwürdig. Sie nisten in ziemlicher Höhe in hohlen Bäumen, und nach Ablage des Eies pflegt das Männchen das Weibchen bis auf eine kleine Öffnung vollkommen einzumauern. Die Öffnung ist nur gerade groß genug, daß das Weibchen den Schnabel herausstrecken kann, um sich von dem ab- und zufliegenden Männchen füttern zu lassen. Fragen wir nach dem Grunde dieser merkwürdigen Gewohnheit, so liegt die Vermutung nahe, daß das Einmauern deshalb geschieht, um die Brat vor den Nachstellungen größerer Säugetiere, vor allem der Baumraubtiere zu schützen. So erklärt sich auch das Horn, welches das Haupt des Tieres wie ein Helm bewehrt und es verhindert, daß der Räuber mittelst Krallenhieben durch das offen gelassene Loch hindurch das Weibchen verletzen kann. Man könnte hiergegen einwenden, daß in Neu-Guinea eigentliche Baumraubtiere ja vollkommen fehlen, und dieser Einwand würde allerdings zwingend sein, wenn die Nashornvögel auf Neu-Guinea und die Nachbargebiete beschränkt wären. Dies ist aber nicht der Fall. Die Gattung Buceros kommt überall in Indien und auf den Sunda-Inseln vor, dort aber finden sich echte Baumraubtiere in großer Menge, und ein Schutz der plumpen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003