Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Bevölkerung von Hula.

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Menschen auf der Platte zu verewigen. Ein solches Sammelbild zeigt die beigegebene Photographie, doch ist sie trotz der Fülle schwarzer Leiber nur ein kleiner Ausschnitt der Kindermenge, die mich umgab, als ich sie aufnahm. Ein besonders hübsches junges Mädchen wollte ich gern allein aufnehmen, und nachdem ich sie mit Mühe isoliert und auf einen günstigen Stand gestellt hatte, richtete ich den Apparat und nahm die Einstellung vor. Eine große Menschenmenge stand hinter und neben mir, jubelnde Kinder, neugierige Weiber, schmunzelnde Männer. Mein Modell freute sich zwar der ihr gewordenen Auszeichnung; als sie aber die allgemeine Aufmerksamkeit so fortgesetzt auf sich gerichtet sah, wurde die naive Wilde, der doch niemals von einer gestrengen Pensionsmutter Zurückhaltung und Prüderie gepredigt worden war, plötzlich von Scham ergriffen, sie bedeckte ihre Augen mit beiden Händen und war nicht mehr zu bewegen, sich ungezwungen und frei hinzustellen. Ich bemerkte während dieses Vorgangs deutlich, daß sich die Gesichtsfarbe des Mädchens verändert hatte, das Braun war dunkler, kräftiger geworden als vorher, was wohl dadurch zu erklären ist, daß ihr das Blut, wie man zu sagen pflegt, zu Kopfe gestiegen war. Wäre ihre Körperfarbe nicht braun gewesen, so hätte man sagen können, sie sei errötet. Jedenfalls war es derselbe physiologische Vorgang, der unserem Erröten zu Grunde liegt, und es ist interessant zu sehen, daß bei den farbigen Wilden die Gemütsbewegung der Scham sich in gleicher Weise ausdrückt als bei uns weißen Kulturmenschen: durch Blutfülle der Gesichtshaut (Erröten) und durch Bedecken der Augen und des Gesichts mit den Händen.

Übrigens waren die erwachsenen Mädchen von Hula im allgemeinen durchaus nicht besonders zurückhaltend und schienen sich zu wundern, daß wir keine Lust bezeigten, unsere Anwesenheit auf Neu-Guinea durch Eintritt in den Stand der Ehe zu feiern. Aus dem, was Swords, der lange in dieser Gegend gelebt hat, mir erzählte, muß ich entnehmen, daß die Sitten ziemlich lockere sind, und schon die Abwesenheit der Mareas oder gemeinsamen Schlafhäuser für die jungen Männer beweist, daß die Zucht lange nicht so streng ist, wie in den westlichen Küstengegenden.

Unter den kleinen Mädchen im Alter von 6 bis 8 Jahren waren zwei wirklich allerliebste Geschöpfe, aus denen ein schwarzer Raphael ein paar papuanische Engelsgestalten hätte machen können. Douglas hatte sie besonders in sein Herz geschlossen und hatte mehrmals versucht, sie zu photographieren. Das war aber nicht so leicht, denn sich allein und ohne Freundinnen vor den Apparat zu stellen, dazu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003