Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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368 Nen-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

Zierrats von der braunen, sammetglänzenden Haut des Mannes ab. Durch die Durchbohrung seiner Nasenscheidewand hatte er einen fußlangen, feingespitzten Stab hindurchgesteckt, der aus dem marmorähnlichen Kalk einer Tridacnamuschel herausgeschliffen und fein poliert war. Sein perückenähnlicher natürlicher Haarschmuck war noch durch eine Art Diadem aus den Federn der Paradisea raggiana überhöht, sein Leib in einen engen, strohgeflochtenen Gürtel eingezwängt, und nie wieder habe ich einen so phantastisch und wild geschmückten Mann gesehen. So stand er im Kreise seiner Genossen da und hielt den guten Vater Hubert in stundenlangen Unterhandlungen fest, die zu nichts führen konnten, da der Missionär doch nicht die Macht besaß, die Anordnung des Gouverneurs aufzuheben.

Wieweit es übrigens dem letzteren gelungen ist, seinem Willen Geltung zu schaffen und eine Veränderung der alten Bestattungssitten herbeizuführen, weiß ich nicht. Natürlich ist es blos ein verhältnismäßig kleiner Teil der Papuadörfer im britischen Besitz, auf die sich bis jetzt der Einfluß der Regierung so weit ausdehnt, um so einschneidende Maßregeln durchführen zu können.

Weniger verstimmt und mißmutig als die Männer war die lärmende Kinderschar von Mou und den beiden Nachbardörfern, die wie Kletten an mir hingen, wenn ich ausging, um in den Pflanzungen und Büschen Tiere zu sammeln und Schmetterlinge zu fangen. Schwatzend, lachend und singend zog die muntere Gesellschaft hinter mir her und half mir manches schöne Stück erbeuten. Unter allen außereuropäischen Rassen, mit denen ich bisher in Berührung gekommen bin, Negern, Malayen, Mongolen, Tamilen, Australiern, Polynesiern und Papuas, erscheinen mir die letzteren in vielen Beziehungen als die interessantesten. Sie sind wahre Künstlernaturen, leichtlebig, fröhlich, erregbar, dem Augenblicke hingegeben und von ihm beherrscht, die echten Kinder ihrer farbenprächtigen Heimat, deren tierische Bewohner, Paradiesvögel, Papageien und Eisvögel, Käfer und Schmetterlinge, Wanzen und Spinnen bunter und reicher geschmückt erscheinen als die irgend eines andern Landes.

Die ganze Lebensstimmung des Papuas ist eine heitere und leichte, und wenn die alten Herren zuweilen auch ernst und sauer dreinblicken, die fröhliche Jugend bildet in jedem Papuadorf das dominierende Element. Die Papuas sind sehr häusliche Menschen und besitzen einen großen Familiensinn. Das Verhältnis zwischen den Ehegatten — die meisten Männer besitzen nur eine Frau — ist fast immer ein herzliches; die Frauen werden durchgehends gut behandelt und hängen mit großer Liebe an ihren Männern. Ihnen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003