Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Bestattung der Toten und Trauersitten. 367

längeren, etwas ungemütlichen Auseinandersetzungen, deren Inhalt Vater Hubert mir nachher mitteilte.

Wie ich schon erwähnte, haben die Eingeborenen in dieser Gegend die wenig anmutende und hygienisch bedenkliche Sitte, ihre Toten direkt unter den Häusern zu begraben. Außerdem existieren noch eine Anzahl besonders widerwärtiger und gesundheitsschädlicher Trauersitten. Nahe Verwandte schlafen wochen- und monatelang dicht neben der Leiche des Verstorbenen, die zunächst in einem besonderen Totenhause niedergelegt wird, und beschmieren sich mit der Flüssigkeit des verwesenden Körpers, ehe sie es über sich gewinnen, sich von ihm zu trennen. Witwen stricken in dieser Zeit ein Netzgewand für ihren ganzen Körper. Sie legen es an, wenn der Tote endlich richtig begraben wird, und tragen es, bis es in Stücken von ihrem Leibe fällt, der vorher mit Kohle geschwärzt worden ist und während der Trauerzeit nicht gewaschen wird. So widerlich solche übertriebene Trauer um die Toten auch erscheinen mag, hat sie ihre Begründung doch in dem tiefen, wahren Schmerz um den Verlust und ist keineswegs eine rein äußerliche Sitte.

Der Gouverneur von Britisch-Neu-Guinea, der für die Eingeborenen sorgte wie ein Vater für seine Kinder, bemühte sich nun gerade zur Zeit meiner Anwesenheit, diese Trauersitten zu unterdrücken, auf die er hauptsächlich die rasche Ausbreitung einiger damals grassierender Ansteckungskrankheiten zurückführte. Er erließ also in den Dörfern, auf die er Einfluß und Kontrole auszuüben vermochte, den Befehl, die Verstorbenen unmittelbar nach Eintritt des Todes zu begraben und zwar nicht unter den Häusern, sondern außerhalb der Dörfer.

Diese Anordnung, die die Eingeborenen zwang, mit altgeheiligten Traditionen zu brechen, stieß im ganzen St. Josephs-Distrikt auf den lebhaftesten Widerstand. Zunächst wurde sie einfach nicht beachtet, jetzt aber, da der Gouverneur drohte, jedes Dorf strenge zu bestrafen, in dem die Toten noch nach der alten Sitte betrauert und bestattet würden, herrschte überall eine weitgehende Erbitterung. Die armen Missionäre hatten am meisten davon zu leiden, da man ihnen ganz ungerechtfertigterweise die Schuld mit beimaß und sich an sie besser halten konnte als an den fern weilenden Gouverneur.

Am Nachmittag dieses Tages kam eine ganze Schar geschmückter und bewaffneter Männer vor das Missionshaus gezogen. Ein finster aussehender Krieger, der mehrere Pfund Muschelschmuck in Gestalt von Hals- und Armbändern, Ohrringen und Stirnbrosche an sich trug, machte den Sprecher. Prächtig stach die schneeweiße Farbe dieses


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003