Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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366 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

schale, Kürbisgefäße mit eingebrannten Mustern, eine Farben- und Formenfreudigkeit, wie sie meiner Ansicht nach keine zweite Rasse auf der Erde besitzt. Alles dies wird mit den primitivsten Muschel-und Steinwerkzeugen hergestellt, und doch ist es in der Ausführung meist so vollendet, daß ein europäischer Kunsthandwerker diesen Produkten eines rohen Naturvolks seine Hochachtung, ja Bewunderung zollen müßte, übrigens sah ich auch ein komplizierteres Werkzeug, einen richtigen Drillbohrer, dessen Spitze aus einem zugeschärften Stein bestand. Die hölzerne Bohrspindel konnte durch einen Bügel mittelst Bastfäden in rotierende Bewegung versetzt werden. Augenscheinlich war dieses Instrument eine eigene Erfindung der Eingeborenen, denn sie waren sehr stolz darauf und ließen sich nicht bewegen, es mir gegen einen hohen Preis an Tabak oder bunten Perlen, nicht einmal gegen ein Messer zu verkaufen. Im übrigen war es mir nicht schwer, eine große Anzahl der prächtigen Waffen, Beile, Schmuck- und Gebrauchsgegenstände zu erwerben, weil augenblicklich der Tabak in dieser Gegend rar war, und die Eingeborenen gegen ein Endchen des schwarzen, festgepreßten Stücktabaks fürchterlicher Qualität die schönsten Erzeugnisse ihrer Kunst hergaben.

Tabak ist neben dem Betel das Hauptgenußmittel der Eingeborenen von Neu-Guinea und wurde von ihnen schon lange vor dem Eindringen der Weißen kultiviert. Als Pfeife, hier ireire, weiter östlich baubau genannt, verwendet man in ganz Südost-Neu-Guinea ein Glied eines etwa faustdicken Bambusstammes von einer Scheidewand zur andern (vgl. die Abbildung Seite 435, Figg. 8, 9, 10, n). Die eine Scheidewand ist undurchbohrt, aber in ihrer Nähe ist in der Außenwand des Stammzylinders eine Öffnung angebracht, und in diese wird eine kleine Blattdüte gesteckt, die den Tabak enthält. Die entgegengesetzte Scheidewand ist durchbohrt, und an diese Öffnung wird der Mund flach angesetzt, und der Dampf eingesogen. Hin und wieder nimmt man auch die Düte mit Tabak aus ihrer Öffnung und saugt von letzterer aus den Dampf, der die ganze Höhlung des Bam-busstücks erfüllt. So macht die Pfeife die Runde, indem jeder der Reihe nach einen Zug tut; auch Kinder nehmen nicht selten an dem Genüsse teil.

Dicht neben Mou liegen die Dörfer Miori und Erine, die wir ebenfalls besuchten, und die sich wie das Nachbardorf durch die schöne Architektur der Häuser und ihre gefällige Anordnung in einer Art Straße auszeichneten. Die Eingeborenen waren aber überall recht schlechter Laune und erwiderten die freundlichen Begrüßungen des Missionärs nur zögernd und mit saurer Miene. Einigemal kam es zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003