Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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362 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

Vögel, Eidechsen und menschliche Gestalten darzustellen schienen. Die Marea in dieser Gegend entspricht durchaus dem ğElamoĞ der Stämme westlich am Golf von Papua, besitzt aber wohl nicht ganz die Heiligkeit jenes, das man beinahe als ein dem Semese oder Hovaki geweihtes Tempelhaus bezeichnen kann. Von diesen werde ich später näheres zu berichten haben. Vor den Mareas befinden sich Plattformen, auf denen die Eingeborenen bei festlichen Gelegenheiten ihre Schweine und Hunde schlachten und ihre Mahlzeiten einnehmen. Kommt man nun weiter östlich an der Küste zu anderen Stämmen, so sieht man die eigentlichen Tempelhäuser verschwinden, die Plattformen aber bleiben als heilige Stätten bestehen, meist getragen von drei bis vier hohen, ganz mit Schnitzereien bedeckten Pfosten, verziert mit Menschenschädeln und ändern Trophäen. Sie werden von den meisten Stämmen von Port Moresby bis zum Südkap ğdubuĞ genannt, von einigen auch ğlubuĞ oder ğrubuĞ.

Die unverheirateten Männer am St. Josephs-Fluß unterliegen einer strengen Zucht. Sobald der Jüngling dem Kindesalter entwachsen ist, wird er mit feierlichen Zeremonien eingeweiht und in die Marea aufgenommen, die nun sein Heim wird. Den Leib umkleidet er von jetzt an mit dem engen Gürtel oder ğihavuriĞ, welcher der Gestalt das für unser Auge fast komische Aussehen gibt, als sei die Taille nach moderner Frauensitte zu eng geschnürt. Die Jünglinge stehen unter der Leitung eines der älteren Männer, der eine gewisse Autorität über sie ausübt und auf dessen Trommelzeichen sie sich zu versammeln haben.

Wie die Missionäre mir versicherten, herrscht unter den Eingeborenen am St. Josephs-Fluß im Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht eine Sittenstrenge, wie sie bei den weiter östlich lebenden Küstenstämmen nicht zu finden ist. Die Männer und erwachsenen Jünglinge verhüllen ihre Scham in einer Art Beutel, der aus dichtem Netzgeflecht besteht. Weiter östlich zum Beispiel in Hula und Aroma herrscht die sonderbare Sitte, daß die erwachsenen Männer ihre Scham durch ein zwischen den Beinen durchgeführtes und vorn und hinten am Gürtel befestigtes Band hochbinden, ohne sie aber zu verhüllen. Es gilt für unanständig, sich ohne dieses Band vor Frauen sehen zu lassen. Noch weiter östlich, zum Beispiel in Milne Bay, tritt wieder Verhüllung durch breite Bastbänder, die vorn und hinten am Gürtel befestigt werden, ein. Die unerwachsenen Knaben gehen überall ganz nackt. Die Frauen und Mädchen bis herunter zum Alter von acht bis sechs Jahren tragen Röcke aus Gras oder Kokosnußfasern, die nicht ganz bis zum Knie hinabreichen.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003