Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Eine Moskito-Nacht. 341

nende Stiche an meinem ganzen Körper. Ich rückte dem Feuer näher: kein Unterschied. Ich bedeckte den Körper, Gesicht und Hände mit meiner Decke: die Plagegeister stachen und saugten hindurch, als ob zwei Lagen Wollenstoff, unter denen ich vor Hitze beinahe schmolz, ein dünner Gazeschleier gewesen wären. Der eine der Matrosen deckte sich mit dem Zelttuch zu, es half ihm ebenso wenig wie mir meine Decke. Der andere kroch unter das schwere Segel des Kutters. Das half, denn das Segeltuch war so dick, daß der Saugrüssel der Moskitos nicht lang genug war, durch ihn und die Kleidung hindurch die Haut zu erreichen. Es war aber in der Tropennacht ein Ding der Unmöglichkeit, längere Zeit unter diesem Segelzudeck zu verweilen, und ebensowenig konnte man ins Feuer hineinkriechen, dessen Rauch und Wärme in einem halben Meter Entfernung ohne jeden Einfluß auf die zu Millionen andringenden Tiere war. Nun versuchen wir uns durch die Flucht zu retten. Am Gestade des Meeres dieselben Schwärme, und obwohl wir mehrere Kilometer an der Küste hinwandern, überall dasselbe. Ebensowenig ist Rettung an Bord unseres Kutters; das beste wäre es natürlich, wir führen in See hinaus und ankerten in respektvoller Entfernung von der Küste. Aber das war unmöglich, denn es war tiefe Ebbe und unser Boot lag beinah trocken: auch regte sich kein Hauch von Wind, und eine unglaublich bedrückende feuchte Schwüle lastete wie Blei auf unsern Gliedern. Bei unsern Fluchtversuchen fanden wir aber eine Art Hilfsmittel. So lange wir uns bewegten, stachen die Tiere nicht. Blieben wir stehen oder setzten wir uns, um zu ruhen, so bohrten sich sofort tausende von dichten Stechborsten und gierigen Rüsseln in unsere Haut. Die einzige Rettung also war, langsam aber unablässig auf und ab zu gehen. Von halb sieben Uhr abends bis sechs Uhr morgens, eine lange tropische Nacht hindurch, gingen wir rastlos auf und ab. Wir hatten uns an den beiden vorhergehenden Tagen tüchtig angestrengt und die vorige Nacht wenig geschlafen. Jetzt wollten die Füße zuweilen fast den Dienst versagen, aber wenn man sich auch nur auf wenige Minuten niederließ, wurde man sogleich wieder durch Hunderte von giftigen Stichen aufgestachelt. Unausgesetzt waren wir von dichten Wolken der kleinen Tiere umgeben, deren Körper, wenn wir auf- und abgingen, unsere Gesichter berührten und ein Gefühl hervorriefen, ähnlich einem warmen, fein tröpfelnden Regen. Einer meiner Leute, Charles Smith, ein rauhgebeizter Seemann, hatte abends gesagt, ihm würden ein paar lumpige Moskitos nichts ausmachen, er lege sich eben hin und schlafe; jetzt sprang er herum, wie wir drei andern auch. Um vier Uhr ging der Mond auf, etwas vor sechs


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003