Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Mittel und Wege der Ausbreitung der Säugetiere.

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Alle Schlangen haben ein feines Hörvermögen; sobald die Laute menschlicher Tritte an ihr Ohr dringen, machen sich auch die meisten Giftschlangen schleunigst aus dem Staube und suchen ein passendes Versteck auf. So kann es kommen, daß ein Weißer, der in einer schlangenreichen Gegend lebt, doch nur selten die Tiere zu Gesicht bekommt und ihre Häufigkeit und Gefährlichkeit unterschätzt. Die Schwarzen wissen besser Bescheid. Am gefährlichsten sind überhaupt nicht die beweglichsten und giftigsten Giftschlangen, sondern die trägen, torpiden, die sich bei der Annäherung des Menschen nicht fort machen, sondern liegen bleiben und wütend zubeißen, wenn man sie zufälligerweise berührt oder gar auf sie tritt. So wird in Australien die weniger giftige Todesotter, Acantophis antarcticus, ein plumpes,

Todesotter (»death-adder«), Acantophis antarcticus.

dickes Geschöpf mit stacheligem Schwänze, mehr gefürchtet, als die sehr giftige Schwarzschlange, Pseudechis porphyriacus, oder die Braunschlange, Diemenia superciliosa und D. olivacea, oder die tötlichen Hoplocephalusarten. Ihre Trägheit und geringe Scheu und Vorsicht ist es, die sie zur »Todesotter« macht. Queensland ist sehr reich an Schlangen, besonders an Giftschlangen, denn zwei Drittel der dort gefundenen Arten sind giftig. Alle gehören zu den Giftnattern oder proteroglyphen Giftschlangen, deren vorn im Oberkiefer befindliche Giftzähne nur eine Furche, keinen Kanal wie die Gifthaken der Vipern besitzen. Obwohl die Waffe der Proteroglyphen somit ein weniger vollkommen ausgebildetes Mordwerkzeug darstellt, als die der letzterwähnten Schlangenfamilie, messen sich einige Vertreter der Proteroglyphen, wie die ägyptische Brillenschlange oder Haje, die indische Cobra und die Riesenhutschlange, mit den furchtbarsten Vertretern


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003