Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Beutelraubtiere. 187

crassicaudata und der seltene Antechinomys laniger, von dem ich nur ein einziges Exemplar erbeutete.

Ungleich größere und stärkere Beutelraubtiere leben in Tasmanien: der durch seine Wildheit ausgezeichnete »tasmanische Teufel«, Sarco-philus ursinus, und der räuberische Beutelwolf, Tylacinus cynocephalus, der die Schafherden der Ansiedler ebenso wenig verschont wie die flüchtigen Känguruhs, den stachelbewehrten Ameisenigel und das tauchgewandte Schnabeltier. Verwandte Arten beider Gattungen von Beutelraubtieren haben früher (im Pleistocän) auch auf dem australischen Festlande gelebt, beide sind aber dort ausgestorben, lange ehe der Weiße ins Land kam. Was kann wohl das Aussterben dieser wehrhaften Geschöpfe, denen es auf dem an Beutelwild reichen Kontinent doch niemals an Nahrung gemangelt haben kann, verursacht haben? Die Antwort lautet: Höchst wahrscheinlich das Auftreten eines besser gerüsteten, geistig überlegenen Konkurrenten, des australischen Hundes »Dingo«, der nach seiner wie immer verursachten Einführung in Australien dort bald verwilderte, sich über den ganzen Erdteil ausbreitete und diejenigen Beutelraubtiere, mit denen er beim Nahrungserwerb in Wettkampf trat, Tylacinus und Sarcophilus, zum Verschwinden brachte. Durch fossile Funde ist sichergestellt, daß zur Zeit des Eindringens des Dingos jene großen Beutelraubtiere auf dem australischen Festlande noch lebten. In Tasmanien ist der Dingo nie eingeführt worden. Hier haben sich deshalb auch die großen Beutelraubtiere bis auf unsre Zeit erhalten können.

Die Geschichte der übrigen Erdteile lehrt, daß die Beuteltiere, welche wir als die höher organisierten Abkömmlinge der Prototherien (Monotremen und Verwandten) zu betrachten haben, mit letzteren zusammen in der mesozoischen Periode, dem Mittelalter der Erdgeschichte, Trias, Jura, Kreide, die einzigen Repräsentanten der Säugetiere auf der Erde waren. Mit dem Anbruch des Tertiär hat diese Fauna im untern Eocän ihren Höhepunkt erreicht. Neben ihr treten aber jetzt in der alten Welt und in Amerika höhere, sogenannte placentale Säugetiere auf, Tiere, die in ihrem ganzen Bau eine vollkommenere Entwicklung zeigen, die ihre Jungen in voll ausgebildetem Zustander zur Welt bringen, weil für deren Ernährung innerhalb der Mutter durch ein besonderes Organ, den Mutterkuchen oder die Placenta gesorgt ist. Dieses Organ fehlt den eierlegenden Monotremen und erst in der Klasse der Beuteltiere finden sich, wie Jas. S. Hill entdeckt hat, die ersten Anfänge seiner Entstehung bei einigen wenigen Formen (Dasyurus), während die Mehrzahl keine Spur einer Placentarbildung besitzt und ganz unentwickelte Junge zur Welt bringt. Aus zahlreichen


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003