Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Weihnachten im Busch. 149

einen bloßen Riemen, gesprengt und mich mit samt dem Sattel über seinen Kopf ins Wasser geschleudert. Ich suchte zunächst den Sattel und die an ihm befestigten Gegenstände zu retten, dann hatte ich das Vergnügen, mich ganz umziehen zu müssen, und traf erst spät am Abend in Coonambula ein.

Froh verlebte ich den Weihnachtsabend im Freundeskreise. Am nächsten Tage war ein großes Christmasdinner mit Truthahn und Plumpudding, ohne die sich bekanntlich der Brite ein rechtes Weihnachtsfest nicht denken kann. Als ich am nächsten Tage zu meinen Leuten zurückkehrte, mußte ich auch für sie ein mächtiges Stück Plumpudding mitnehmen, was sie in helle Begeisterung versetzte. In der Tat, so fern von meiner eignen Heimat, hätte ich keinen zweiten Ort in der Welt finden können, an dem sich mir in der Weihnachtszeit ein Heim so freundlich geöffnet hätte wie hier.

Die folgende Zeit wurde mit beharrlich fortgesetzten Anstrengungen erfüllt, die Gewässer nach den Eiern des Ceratodus zu durchsuchen. Jimmy mit seiner Familie kam zu mir zurück und erbot sich, wieder in meine Dienste zu treten. Ich nahm das nicht an, bot ihm aber 100 Mark als Belohnung, wenn er mir eine Stelle im Fluß zeigen würde, die Ceratoduslaich enthielte. Die Tage wurden immer heißer, die Flüsse fielen tiefer und tiefer und füllten sich allenthalben mit einer reichen Vegetation von Wasserpflanzen. Aber alle unsere Anstrengungen waren vergeblich, so weit wir auch unser Nachsuchen ausdehnten, bald hier bald dort kampierten, den halben Tag lang im Wasser verweilten. Ich konnte mich jetzt kaum noch der traurigen Überzeugung verschließen, daß die Laichzeit des Fisches vorüber sei und ich den richtigen Augenblick verpaßt hätte. Freilich gab ich alle Hoffnung damals noch nicht auf.

Zu Sylvester war ich wieder in Coonambula und am ersten Neujahrstage begaben wir uns alle nach Eidsvold, wo an diesem Tage alljährlich ein großes Pferderennen stattfindet. Die Rennen sind die nationale Belustigung der Australier, sie spielen dort für jedermann eine noch weit wichtigere Rolle, als sie es im englischen Mutterland, dem »old country«, tun. Das ist kein Wunder in einem Lande, in dem die Pferdezucht einen so wichtigen Faktor bildet, das Pferdematerial so billig, das Halten der Pferde so leicht ist, wo man selbst in den großen Städten die Arbeiter sich zu Pferde zu ihren Beschäftigungen begeben sieht. Jedermann versteht hier etwas von Pferden, jedermann interessiert sich für sie und sucht die Berühmtheiten des Tages aus persönlicher Anschauung kennen zu lernen. Da ist natürlich ein Pferderennen für die Bewohner des mittleren Burnett ganz ebenso


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003