Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Die Gorge.

ganz andre Vegetation herrscht, so ist die Erklärung unschwer zu finden. Die meisten jener Gewächse, die für den tropischen Urwald charakteristisch sind, verlangen nicht nur eine hinreichende Speisung durch Wasser von den Wurzeln aus, sondern sie bedürfen für ihre grünen oberirdischen Pflanzenteile einer wasserdampfreichen Luft und gedeihen nicht in einer für gewöhnlich trocknen, an Niederschlägen armen Atmosphäre. Hierzu gehören alle Baumfarne und die meisten, aber nicht alle Palmen. Die bekannte Dattelpalme zum Beispiel ist ein Kind der Wüste und würde auch in einem typischen australischen Scrub fortkommen können; sie liebt es, wie der Araber sagt, ihre Füße im Wasser zu baden, während ihr Haupt von der Sonne versengt wird. Die meisten ändern Palmen aber bedürfen nicht nur der Boden-, sondern auch einer bedeutenden Luftfeuchtigkeit zu ihrem Gedeihen. Nun ist das Gebiet von Cania wohl schon wegen der größeren Höhe seiner Berge an Niederschlägen reicher als die meisten ändern Gegenden, die weit von der Küste entfernt liegen. Ganz besondere Verhältnisse scheinen aber durch die steilen Abstürze der »Gorge« geschaffen zu sein, die wie eine Falle wirkt, in der sich die feuchten östlichen Winde fangen und ihre Feuchtigkeit, zu Regen und Nebel verdichtet, dem kleinen Urwald zukommen lassen. Aus dem Aufkommen eines solchen an diesem Orte sieht man übrigens, daß fort und fort Keime und Samen jener Pflanzen von der Küste her gegen das Innere geführt werden. Daß dort nur ausnahmsweise typische Tropengewächse gefunden werden, liegt lediglich an der zu großen Trockenheit der Luft, nicht an der Abwesenheit der Keime.

Auch die Tierwelt in jenem Scrub, die ich im übrigen nicht näher studiert habe, war nicht identisch mit der des gewöhnlichen Brigalow-Scrubs am Burnett. Als wir nämlich nach Hause gekommen waren, bemerkten mehrere von uns beim Auskleiden Blut an den Kleidern und wir fanden eine Anzahl von Blutegeln, die an uns während unseres Herumstreifens im Urwald heraufgekrochen waren. Niemals habe ich Landblutegel im gewöhnlichen australischen Scrub gefunden. Sie sind aber eine wahre Pest für die Urwälder der ostindischen Inseln und finden sich auch in denen der australischen Küstenregion, wo sie mir später während meines Aufenthalts in den tropischen Wäldern bei Cooktown das Leben sehr verbittert haben.

Am 22. Dezember früh verließen wir Cania, dessen Besuch mir in vieler Beziehung interessant gewesen war. Nur hatte ich zu meinem Bedauern erfahren müssen, daß für meine Zwecke hier kein günstiger Boden sei. Abends waren wir in Dalgangal, wo wir diesmal Herrn W. Kent und seinen Bruder anwesend trafen, am 23. mittags trafen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003