Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Waldeinsamkeit. 83

fernung von meinem Camp zu lagern, und ihre Hilfe beim Kochen oder bei irgend einer ändern Besorgung des häuslichen Lebens konnte ich unmöglich benutzen, weil ihre grenzenlose Unsauberkeit, oder besser gesagt, der gänzliche Mangel jedes Gefühls für Sauberkeit ein näheres Zusammenleben mit ihnen ausschloß. Das Einzige, zu dem ich sie benutzte, war, mir ab und zu tüchtige Portionen Wasser die steilen Ufer vom Fluß hinauf zu tragen. Das Kochen und Brotbacken besorgte ich selbst und hatte nach einigen mißglückten Versuchen bald ausgezeichnete Erfolge.

Gerade um diese Zeit besuchte mich Herr McCord gelegentlich eines Jagdausfluges, mit seinen drei ältesten Kindern. Sie brachten eine Wildente, eine Taube und ein Bändikut mit und machten sich daran, am Flußufer zu angeln, während ich zusammen mit Tephi, der zwölfjährigen ältesten Tochter, das Frühstück für die ganze Gesellschaft kochte. Alles ging gut, nur die Taube, die wir in der Pfanne brieten, fing plötzlich an in ihrer Butter hell zu brennen. Wir löschten rasch aus und kratzten die äußere verkohlte Kruste ab. Als wir aber den Braten auf die Tafel brachten, stellte sich die betrübende Tatsache heraus, daß er außen schon mehr als durchgebraten, innen aber noch ganz roh war. Besseren Erfolg hatten wir mit dem in der Asche gebackenen Bändikut, und das höchste Lob ernteten die Fische, von denen die Kinder nachher ganz begeistert ihrer Mutter erzählten, das Fleisch sei ganz von selbst von den Knochen und Gräten gegangen, so gut könne der Professor kochen. Auch der Browny, von dem ich noch einen tüchtigen Vorrat besaß, fand großen Beifall, und als mich meine Freunde verließen, hatte ich das Bewußtsein, ein neues, großes, wichtiges Gebiet menschlicher Kunstfertigkeit kühn in Angriff genommen und mich zum Meister desselben gemacht zu haben.

Die tiefe Einsamkeit, die mich in jenen Tagen und auch später noch oft genug umgab, wenn Dahlke für längere Zeit abwesend war, oder ich für mich selbst vieltägige Ausflüge unternahm, war mir nicht öde und langweilig, sondern im Gegenteil wohltuend und genußreich. Sie war mir in der Tat etwas ganz neues, denn sie ist auf unsrer Erde schwer zu finden. Auch in der Wüste, auf unbewohnten Inseln pflegt man nicht allein zu sein, sondern hat die Teilnehmer der Karawane, die Mannschaft seines Fahrzeugs um sich; in den tropischen Urwäldern lebt man, wenn man keine Begleiter mit sich hat, unter den Eingeborenen des Landes. Wirkliche Einsamkeit aber bieten die ungeheuren Buschwälder Australiens und zwar unter Bedingungen, die gestatten, daß auch der Einzelne dort ohne Schwierigkeit und Gefahr


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003