("Text" von A. F. W. SCHIMPER.)
[ WEBB et BERTHELOT, Histoire nat. des Iles Canaries, T. III, 1; Géogr. bot., Paris 1840, p. 73 u. 177; Miscellanées, p. 2 u. 97. - S. BERTHELOT, Observations sur le Dracaena Draco L. Nova acta Acad.-Leop. Carol., Vol. XIII2, Bonn 1827, p. 777. - N. W. P. Rauwenhoff, Bijdrage tot de kennis von Dracaena Draco L. Verhandelingen der Koninkl. Akad. van Wetenschappen, Amsterdam, Bd. X, 1864. - H. SCHACHT, Madeira und Tenerife, 1859, S. 24 u. 162. - MEYER, Tenerife, S. 95 u. 111. - CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 168, 186, 200; Veget. u. Flora der Can. Inseln, S. 471 u. 507. - F. C. NOLL, Das Thal von Orotava auf Teneriffa. Programm der höheren Bürgerschule Frankfurt a. M., 1872, S. 22. - H. LOJANDER, Beiträge zur Kenntnis des Drachenblutes, Diss. Straßburg, 1887. Hier auch die gesamte ältere Litteratur. ]
"Weit seltener ist die zweite Baumart der unteren Region, aber auch viel merkwürdiger. Der Drachenbaum, Dracaena Draco L. [ Canarisch "Drago", maderensisch "Dragoeiro", französisch "Dragonnier". ], ist die berühmteste Schöpfung der Pflanzenwelt der Canaren (Taf. XVII {III} und XIX {IV}). Ihre wie man glaubte, einzig dastehende ungeschlachte Gestalt, welche zum Vergleiche mit den Dickhäutern unter den Tieren führte, wurde bereits von den ersten Reisenden bewundert und geschildert und ist seit der Darstellung HUMBOLDT's in ihren wesentlichen Zügen allgemein bekannt.
Aehnlich wie die canarische Dattelpalme ist auch der canarische Drachenbaum im wildwachsenden Zustande selten geworden. Wie die erstere gehört er zu der Flora der trockenen offenen Standorte, der Felswände der Barrancos."
WEBB und BERTHELOT [ WEBB et BERTHELOT, Phytogr. canar., T. II, p. 331 und Atlas, Taf. VIII, Fig. 2 und 4. ] geben als zwei ursprüngliche Standorte des Drachenbaumes auf Tenerife unzugängliche Felsen im Barranco del Infierno bei Adeje [ Dieser Standort wird auch von FRITSCH, Reisebilder, S. 7, aus den Jahren 1862/63 erwähnt. ] und die beiden Basaltpyramiden Los dos Riscos im Thale von Taganana an. BORNMÜLLER [ BORNMÜLLER, Bot. Jahrb., Bd. XXXIII, 1904, S. 409. ] äußert sich über sein Vorkommen folgendermaßen: "Drachenbäume sind allerorts auf den Inseln anzutreffen, bald außerhalb, bald innerhalb von Einzäunungen. Zweifelsohne wildwachsende Exemplare an allen Altersstufen kann man reichlich beobachten an den zum Meere hingewandten, etwa 300 m hohen Felswänden der Roque de la animas bei Taganana" . . . Ferner "auf dem Wege von Garachico nach Los Silos, hoch an den Felsenzinnen des in senkrechten, reichbewachsenen Wänden abfallenden Gebirgsstockes". Das heutige spontane Auftreten des Drago scheint nach BORNMÜLLER somit auf die geologisch ältesten Teile der Insel beschränkt zu sein.
Full size, 300 dpi Screen size Dracaena Drago L. Junger unverzweigter Baum in einer Opuntia-Kultur. Links und im Vordergrund Kleinia neriifolia HAW., ganz links Euphorbia canariensis L. Tenerife. [SCHIMPER.] |
WEBB und BERTHELOT nennen als Heimat des Baumes innerhalb des Canarischen Archipels die Inseln Canaria, Tenerife, Gomera, Palma. Es ist wohl anzunehmen, daß er vor der Eroberung der Inseln auch auf Hierro vorhanden war. Auf Palma wachsen noch viele Dragos im nordöstlichen Teile, besonders bei Barlovento und La Gallega [ FRITSCH, Reisebilder, S. 15. ]; auf Gomera sollen sie nach BOLLE [ BOLLE, Gomera, S. 234. ] einst überaus häufig gewesen sein, erfand aber nur noch ein einziges mächtiges Exemplar in der Nähe von S. Sebastian.
Der Drachenbaum fehlt auf den Purpurarien; hingegen gehört er, im Gegensatz zur canarischen Palme, auch der Flora der Madeira- und Capverden-Gruppe an. Auf ersterer Insel ist er fast ausgerottet; WEBB sah ihn zum letzten Male wildwachsend auf Porto Santo im Jahre 1828 [ CHRIST, Vegetation, S. 507. ]; auf Madeira giebt es nach BORNMÜLLER [ BORNMÜLLER, Botan. Jahrb., Bd. XXXIII, S. 410. ] heute noch wildwachsende Exemplare an den Felswänden des Cabo do Garajão. Hingegen dürfte er auf den Capverden noch zahlreicher erhalten geblieben sein, wo ihn BOLLE in Mengen wild gefunden hat [ CHRIST, Vegetation, S. 507. ].
Abgesehen von den wenigen, anscheinend ursprünglichen Standorten findet man die merkwürdige Erscheinung des Drago auf den Canaren jetzt beinahe nur noch in der Nähe der Wohnungen, in Gärten; die ältesten Bäume allerdings mögen verschonte Ueberbleibsel der Urvegetation vorstellen.
"Der ebenso durch Dicke wie durch plumpe Unförmlichkeite auffallenden Stamm, von welchem stellenweise fingerdicke Luftwurzeln entspringen, teilt sich in einer im Verhältnis zu seiner Dicke mäßigen Höhe in mehrere dicke Aeste, die nach wenig wiederholter, wirteliger oder gabeliger Verzweigung in Rosetten schwertförmiger Blätter enden. So kommt das gewöhnlich zum Vergleich herbeigezogene Bild eines mächtigen schwerfälligen Kronleuchters zustande.
Full size, 300 dpi Screen size Dracaena Drago L. Teil eines Fruchtstandes. Nat. Gr. Aus dem Garten La Mortola. [SCHIMPER.] |
Junge Drachenbäume sind noch seltener als alte. Der Unterschied im Wuchse zwischen ersteren und letzteren ist auffallend (Textfig. 6 und Taf. XVIII {III} XIX {IV}). Aehnlich wie die anderen Liliaceenbäume verzweigt sich der Drachenbaum erst, nachdem er beträchtliche Größe erreicht hat; ebenso trägt aber zu dem abweichenden Aussehen die Verteilung der Blätter bei, welche den noch unverzweigten Stamm als lockere Spirale umwinden. Die verbreiterten und ineinander geschachtelten Blattbasen umhüllen die Zweiggipfel panzerartig. Die Blüten sind in Rispen gruppiert; die rotgelben, kirschgroßen, sehr saftigen Beeren werden von Vögeln, namentlich von Amseln, verzehrt und enthalten einen, selten zwei oder drei Samen (Textfig. 7). In welchem Alter die Verzweigung eintritt, ist nicht sicher festgestellt, ebenso ist das Alter der mächtigen Bäume mit irgendwelcher Sicherkeit in keinem Falle festgestellt worden, denn es fehlt bis jetzt an zuverlässigen Grundlagen, Jahresringe lassen sich in dem sekundären Zuwachse des Stammes nicht erkennen.
Die jungen Drachenbäume haben einen einfachen dicken Stamm (Textfig. 6), dessen Verzweigung erst erfolgt, nachdem seine Gipfelknospe in die Bildung der ersten Blütenrispe aufgegangen ist.
SCHACHT [ SCHACHT, Madeira, S. 26. ] sah in Santa Cruz auf Tenerife einen 8-jährigen, etwa 8 Fuß hohen jungen Drago, der schon zum ersten Male blühte, und bemerkt, daß sonst in der Regel die erste Blüte viel später, wenn der Stamm schon 20 Fuß hoch sei, hervortrete. Nach BERTHELOT [ BERTHELOT, Nova Acta, Vol. XIII2, S. 783. ] beginnen die Drachenbäume erst nach 25-30 Jahren sich zu gabeln. CHRIST [ CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 202. ] sagt, daß junge Dragos unter 10 Jahre alt bei einer Höhe von 1 1/2 m bereits Stämme von Schenkeldicke aufweisen.
Weitere Beobachtungen über Höhe und Alter sind erwünscht. Ohne Zweifel werden die Standortsverhältnisse von Einfluß auf das frühere oder spätere Eintreten der Blüte sein.
In unseren Gewächshäusern, wo ihnen die Sonne mangelt, gebrauchen die jungen Drachenbäume naturgemäß weit längere Zeit, ehe sie blühreif werden, als unter dem milden Klima der Canaren. Aehnliches Verhalten ist ja auch für die hapaxanthische Agave americana bekannt. So wird es immer ein seltenes Ereignis sein, wenn in einem botanischen Garten ein Drachenbaum zur Blüte gelangt.
RAUWENHOFF [ RAUWENHOFF, l. c. S. 50. ] citiert eine Mitteilung von MACKAY, wonach ein 1810 zu Dublin aus Samen gezogener Drago 1846 bis zu dem Dache des 20 Fuß hohen Hauses herangewachsen war. Der Stamm wurde dann 4 Fuß über dem Boden erst eingeschnitten, später ganz durchschnitten und nach Bildung neuer Luftwurzeln wieder eingepflanzt, worauf er im ganzen nach 14 + 18 Monaten zur Blütenbildung überging. Ueber 38 Jahre dauerte also in diesem Falle das Jugendstadium. Solche Verkürzung zu lang gewordener Drachenbaumstämme wird und wurde öfters in Gewächshäusern ausgeübt, so mit Erfolg an Exemplaren des botanischen Gartens zu Darmstadt und zu Frankfurt a. M., sie beweist, daß die Drachenbäume außerordentlich lebenszähe sind. BERTHELOT [ BERTHELOT, Nova Acta, Vol. XIII2, S. 781 u. 783. ] bewahrte in seinem Zimmer zu Orotava einen losgerissenen Ast eines Drachenbaumes auf, dessen grüne Früchte reif wurden und der noch nach 14 Monaten frische Blätter aufwies, und bemerkt: "Par l'effet de leur robuste organisation ils résistent aux vents les plus impétueux, bravent sur un sol volcanisé les rayon d'un soleil brûlant et toutes les intempéries de l'atmosphère."
Die beste mir bekannte Abbildung des Blütenstandes von Dracaena Drago giebt RAUWENHOFF [ RAUWENHOFF, l. c. Taf. I. ] nach einem im botanischen Garten zu Rotterdem im Mai 1860 zur ersten Blüte gelangten Drago, dessen Schaft bis zur Blattkrone 2,74 m Höhe maß und an seinem Gipfel eine ca 1,2 m hohe Krone trug; leider ist das Alters des Baumes nicht angegeben. Die große Panicula steht terminal, die kleinen, denen des Spargels ähnlichen Blüten zu 4 oder 5 gebüschelt an den Rispenästen.
BERTHELOT [ BERTHELOT, Nova Acta, Vol. XIII2, p. 779. u. Taf. XXXVIII. ] bildet einen grünen Ast von einem verzweigten Baume ab und bemerkt, daß die Blüten sich abends öffnen, am folgenden Morgen wieder schließen; auf den Canaren fällt die Blütezeit auf Ende August.
Die alten Rispen lösen sich ein oder zwei Jahre nach der Blütezeit los und hinterlassen je eine tiefe Narbe; der abgeblühte Sproß stellt damit sein längenwachstum ein und erzeugt dann unter seinem Ende einige wirtelig gestellte Seitensprosse, oft auch nur zwei, ode an menchen Aesten höherer Ordnung auch nur einen Tochtersproß, der dann den Muttersproß sympodial fortsetzt, sich aber durch eine Einschnürung von ihm auch späterhin deutlich abgesetzt zeigt. Die Verzweigung erfolgt also in ähnlicher Weise, wie am Rhizom von Polygonum oder von Iris.
Der Hauptstamm verzweigt sich in mehrere (4, 5) wirtelig gestellte dicke Aeste [ CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 202, Abbildung eines Baumes mit 4-teiliger Kandelaberkrone. ], die sich dann weiter zu der eigenartigen Schirmkrone alter Bäume gabeln. Die Länge der einzelnen Glieder des Zweigsystems ist eine verschiedene, im allgemeinen sind die zuerst gebildeten Wirteläste länger und kräftiger als die Glieder höherer Ordnung. Deutlich kann man an unserer Abbildung des Baumes von Icod (Taf. XVII {III}) unter dem Vergrößerungsglas an den tiefen Narben der abgefallenen Blütenstände die Sproßglieder voneinander unterscheiden und festellen, daß die Aeste in der Regel sich mehrmals hintereinandern monochasial fortsetzen, bevor sie eine Gabelung ausführen. Die obersten Glieder der Krone folgen so dicht aufeinander, daß die Zeit, die ein Glied bis zur Blütenbildung braucht, unmöglich eine sehr lange sein kann, jedenfalls nur wenige Jahre, während der Hauptstamm dazu viel mehr Jahre gebraucht. Aus der Wachstumsweise der Aeste erklärt sich, daß die Drachenbäume nicht jedes Jahr blühen, und daß die Blütenperioden je nach dem Lebensalter und je nach den Zweigen Verschiedenheiten aufweisen. In hohen Alter sind die Aeste ungleich entwickelt und gelangen daher nicht mehr alle gleichzeitig zur Blüte. Genauere Beobachtungen dieser Perioden werden sicher Anhaltspunkte geben, um das Alter der Drachenbäume einigermaßen genau zu bestimmen.
Der auf Taf. XVIII. {III} und in Textfig. 8 dargestellte Drachenbaum von Icod de los Vinos ist heute der größte und wohl auch der älteste auf Tenerife. Er wird zuerst erwähnt von SCHACHT [ SCHACHT, Madeira, S. 25 ] 1857 mit 60-70 Fuß Höhe über dem Boden, mit 9,5 m Umfang 8 Fuß über dem Boden und mindestens 12 m Umfang dicht über dem Boden. Sodann giebt CHRIST [ CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 200. ] 1884 die Maße an mit ca. 20 m Höhe, 11,7 m Umfang in 2,8 m Höhe über dem Boden, und macht darauf aufmerksam, daß also, falls SCHACHTS's Messungen in gleicher Weise wie die seinigen vorgenommen seien, der Baum in 27 Jahren eine Zunahme von 2,2 m erfahren habe. Dieser Fortschritt des Icoder Stammes im Wachstum sei ein so großer, daß der Begriff eines sehr schnell sich verdickenden, also sehr rasch wachsenden Baumes, unabweisbar sei. In der That ist das Alter der größten Drachenbäume ganz bedeutend überschätzt worde. Berechnen wir nach obiger Zunahme der Stammdicke das Alter des Icoder Baumes, so erhalten wir nur 143 Jahre. Ob diese Zahl nun zutrifft, muß einstweilen noch dahingestellt bleiben. O. SIMONY [O. SIMONY, Mitteil. d. k. k. Geograph. Gesellsch. Wien, Bd. XXXIII, 1890, S. 219. ] maß 1889 in gleicher Höhe wie CHRIST den Umfang zu 11,72 m, die Gesamthöhe zu 23 m. Auch HANS MEYER [ H. MEYER, Tenerife, S. 111 und 112. ] erwähnt den Baum von Icod und giebt 1894 als Maße an 12 1/4 m Umfang 3 m über dem Boden; somit gegen 1884 wiederum eine Zunahme von 0,55 m. MEYER meint, daß jede Gabelung einer Blütenperiode von ca. 12 Jahren entspreche, und wnn man die vielen Verästelungen abzähle, möchten an 2000 Jahre für den Icoder Drago herauskommen. Selbst wenn wir auf unserem Bilde (Taf. XVIII {III}) die zu hohe Zahl von 30 Verzweigungen herauslesen und dann die Periode bis zur Blüte für jedes Glied durchschnittlich mit 10 Jahren ansetzen, erhalten wir nur 300 Jahre. Auf Grund dieser und der obigen Schätzung von 143 Jahren kommen wir vielleicht auf +/- 200 Jahre.
Full size, 300 dpi Screen size Dracaena Drago L. Stamm des großen Drachenbaumes bei Icod auf Tenerife. (Links Prof. CHUN, rechts Prof. SCHIMPER.) Nach photographischer Aufnahme von F. WINTER 21. August 1898. |
Unser Bild des Drago von Icod zeigt sehr deutlich die Luftwurzeln, die an älteren Aesten vorkommen und die sich häufig in einige Seitenwurzeln verzweigen. In halber Höhe des Stammes und an seiner Basis sind zahlreiche solcher Wurzeln vorhanden. Diese Luftwurzelbildungen mögen von Bedeutung sein für die Festankerung des Drago an steilen Felswänden, seinen eigentlichen Wohnstätten. Inwieweit übrigens solche Adventivwurzeln am Dickenwachstum des unteren Stammteiles beteiligt sind, bedarf noch der Untersuchung. In alten Bäumen siedeln sich häufig junge Sämlingspflanzen als Epiphyten an.
Der Drago von Icod wir an Höhe, aber nicht an Stammumfang und Alter, übertroffen von dem Drachebaum bei Realejo de arriba. CHRIST [ CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 186. Gute Abbildung des Baumes in LOJANDER, l. c. Taf. IV. ] bezeichnet ihn als den höchsten Drago der Inseln; der schlanke, vollkommen gesunde Baum mit weithin sichtbarer Schirmkrone mißt reichlich über 25 m. BUNBURY [ BUNBURY, Journal of the Proceedings of the Linnean Society, Bot., Vol. I. 1857. ] giebt 1857 seinen Stammumfang auf 14 engl. Fuß und 4 Zoll (= 4,37 m) in einer Höhe von 4 Fuß an. Leider fehlen Maßangaben aus neuester Zeit zum Vergleich, doch hält der Stamm nach der 1887 publizierten Abbildung von LOJANDER etwa 1 3/4-2 m Durchmesser.
Das dritter hervorragende Exemplar auf Tenerife ist der Drachenbaum von Laguna, auffallend kurz- und dickstämmig und schon von Mannshöhe an verzweigt in einer außerordentlich dichtbuschige Krone (Taf. XIX {IV}). Der gedrungene Wuchs mag hier vielleicht durch die Höhenlage (Laguna 550 m) mitbedingt sein. Leider liegen keine genauen Messungen des wohl annähernd 2 m dicken Stammes vor. Fast macht der Baum den Eindruck, als ob er durch Verwachsung aus mehreren Stämmen hervorgegangen sei.
Der mächtigste Drago der Canaren ist der durch die Schilderung A. v. HUMBOLDT's und aller späteren Reisenden berühmt gewordene Drachenbaum zu Orotova [ Abbildung im Atlas von WEBB und BERTHELOT, Taf VIII, aus den Jahren 1790 und 1830. Ferner SCHACHT, Madeira, S. 24 aus dem Jahre 1857. ] gewesen. HUMBOLDT [ A. v. HUMBOLDT, l. c. 104. ] schätzte seine 1799 seine Höhe auf 50-60 Fuß; sein Umfang betrug nahe über den Wurzeln 45 Fuß (14,6 m), sein Durchmesser in einer Höhe von 10 Fuß über dem Boden nach Sir GEORG STAUNTON noch 12 engl. Fuß (=3,7 m), sein mittlerer Umfang nach BORDA 33 Fuß 8 Zoll = 10,9 m). BERTHELOT [ BERTHELOT, Nova Acta, 1827, p. 780. ] berichtet, daß dieser berühmte Baum schon zur Periode der Eroberung Tenerifes 1496 als ein Baum von hohem Alter betrachtet worden sei, und giebt 1827 als Maße an: Höhe 70-75 Fuß, Verzweigung in Höhe von 20 Fuß, Umfang an der Basis 46 1/2 Fuß (=15,1 m). Am 21. Juli 1819 riß ein Sturm die Hälfte der Krone ab; im März 1867 wurde der Baum durch einen Orkan ganz zusammengerissen [ E. HAECKEL (Eine Besteigung des Pik von Tenerife, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk., Bd. V, 1870, S. 14) hat den Baum im Herbst 1866 noch lebend gesehen. ], und 1868 ging sein Stumpf durch Feuer zugrunde. F. C. NOLL [ F. C. NOLL, Thal von Orotava, S. 22. ], der Tenerife 1872 besuchte, teilt die Messungen des Herrn WILDPRET mit - eine Höhe von etwa 65 Fuß, einen Umfang von 18 m - und erwähnt, daß zwei Nachkömmlinge des Riesen, aus bei seinem Sturze gesammelten Samen von Herrn HONEGGER gezogen, im Gewächsthause des botanischen Gartens zu Frankfurt a. M. grünen. Diese beiden Dragos, denen somit ein historisches Interesse zukommt, existieren noch heute, der eine gedeiht im Palmengarten, der andere, im botanischen Garten zu Frankfurt verblieben, hat nach meiner Messung 1907 einen Stammdurchmesser von 10 cm und eine Höhe von 7 m, war aber vor ca. 12 bereits um 1 1/2 m an seiner Basis gekürzt worden und hat somit nach ca. 38 Jahren eine Gesamthöhe von 8 1/2 m erreicht, ohne zur Blüte gelangt zu sein.
Das Alter des HUMBOLDT'schen Drachenbaumes ist auf ca. 1600 Jahre, von anderen, wie F. C. NOLL mitteilt, sogar auf 4000-6000 Jahre geschätzt worden. Ein Zehntel der letzteren Zahl könnte meiner Ansicht nach eher das Richtige treffen.
Die Zerstörung des Baumes durch zwei heftige Stürme zeigt, daß dem Lebensalter dieser Riesenbäume eine Grenze gesetzt ist, die Schirmkrone wird schließlich zu schwer und bietet den Orkanen zu viel Angriffspunkte dar.
"Geringe Mengen eines rötlichen Harzes treten hie und da aus Rissen der Rinde des Drachenbaumes während des Sommers hervor. Diese unbedeutende Erscheinung sprach zu der Phantasie der frühren Reisenden noch weit mehr, als seine sonderbare Gestalt. Der Saft sollte zu Blut werden, zu "Drachenblut", und merkwürdige Eigenschaften besitzen. Dieses canarische Drachenblut findet höchstens an Ort und Stelle einige Verwendung. Das Drachenblut des Handels wird von Calamus Draco geliefert.
Ebenso merkwürdig wie in morphologischer ist auch der canarische Drachenbaum in geographischer Hinsicht. Zwar ist die Gattung mit 36 Arten in den Tropen der alten Hemisphaäre von Westafrika bis Australien verbreitet, jedoch weichen ihre Arten in dem nächsten Gebiet, wo sie sich zeigt, in dem Kamerumgebirge, von der canarischen bedeutend ab. Sehr nahe Verwandte von Dracaena Draco sind hingegen Dracaena Cinnabari BALF. fil. von Socotra [ Abbildung von Dracaena Cinnabari BALF. f. und eines Drachenbaumbestandes auf Socotra siehe in Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft 5, R. v. WETTSTEIN, Socotra, Taf. XXV u. XXVI. ], Dracaena schizantha BAKER von der Somaliküste und Dracaena Ombet KOTSCHY et PEYR. aus Nubien [ Diese Art wird von DURAND et SCHINZ (Conspectus florae Africae, T. V., 1895, p. 327) sogar als Subspecies zu D. Draco L. gezogen, wohl nach dem Vorgange von BAKER (Journ. of the Linn. Soc., Vol XIV, 1875, p. 527), ist aber sicher von ihr verschieden. Abbildung von Dracaena Ombet auf Taf. V. bei H. LOJANDER. ].
Dracaena Boerhavi TENORE ist ein in botanischen Gärten öfters kultivierter Drachenbaum mit langen herabhängenden Blättern: sie stellt nur eine wohl in der Kultur entstandene Form der Dracaena Draco, die Varietät pendulifolia HAYNE, vor [ Vergl. GÖPPERT in Flora, 1853, S. 400. ].
Auf das Vorkommen der beiden, nahe verwandten Drachenbäume auf den Canaren und auf Socotra sind die Beziehungen zwischen den so weit voneinander entfernten und klimatisch nicht sehr ähnlichen Inseln - denn Socotra ist heißer und noch trockener - keineswegs beschränkt. Vielmehr zeigen die Floren eine ganze Anzahl paralleler Arten gerade unter denjenigen Typen, die den Canaren ihr eigenartiges Gepräge verleihen.
Die unerwartete Uebereinstimmung wird vollkommen begreiflich, wenn wir anstatt der jetzigen Verbreitung der Gattung deren früheres Areal betrachten [ A. SCHENK in ZITTEL's Handbuch der Paläontologie, Bd. II, 1890, S. 360, 820, 829. ]. Zur Eocän- und Unteroligocänzeit war Dracaena mit mehreren Arten in Mittel - und Südeuropa vertreten; einige derselben waren mit der canarischen Arten verwandt und besaßen ähnliche Dimensionen, namentlich gehörten Dracaena Brongiartii SAPORTA [ SAPORTA, Annales des Sc. nat., Bot., 4e Série, T. XVII, 1862, p. 227. ] und Dracaena narbonensis SAPORTA [ SAPORTA, Annales des Sc. nat. Bot., 5e Série, T. IV, 1865, p. 86. ] zum gleichen Artenkreise (Textfig. 9). Das Schwinden der Drachenbäume aus Europa wurde nicht wie dasjenige so vieler anderer Tertiärbäume durch die Glacialzeit, sondern durch die klimatische Veränderung, welche mit dem Miocän eintrat, bedingt. In dem aus zahlreichen Inseln bestehenden europäischen Areal der eocänen Dracänen war das Klima, nach dem Gesamtbild der Vegetation zu urteilen, demjenigen, welches gegenwärtig in den unteren Landschaften der Canaren herrscht, ähnlich, d. h. ebenso arm an Niederschlägen wie die Sahara, aber wie auf allen Inseln durch Reichtum der Luft an Wasserdampf charaktersisiert. Der Vegetationscharakter der Küstenlandschaft von Teneriffa, mit ihren Dracänen und Dattelpalmen, ihren kleinblättrigen und dornigen Gewächsen hat mit demjenigen Europas zur Eocänzeit eine unverkennbare Aehnlichkeit. Wie die Dracaenen und Dattelpalmen aus dem eocänen Europa die Canaren erreichten, wird durch den Umstand, daß die Früchte von Vögeln verzehrt werden, leicht begreiflich.
Full size, 300 dpi Screen size Blatt von Dracaenites narbonnensis, links ein Wedel von Hemionitites scolopendrioides. Aus dem Tertiärkalk von Armissan bei Narbonne. 2/3 nat. Gr. Nach SAPORTA (Annales des Sciences nat., Botanique, 5e Série, Tome IV, 1865, Pl. V, Fig. 5). [SCHIMPER.] |