Pittoreske Ansichten der Cordilleren und Monumente americanischer Völker

Alexander von Humboldt

Tübingen, 1810

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Tafel 22


Hohe Auflösung

Basalt-Felsen und Kaskade von Regla.

Bei jeder Veränderung von Breite und Clima verändert sich auch die Ansicht der organischen Natur, die Form der Thiere und der Pflanzen, welche jeder Zone einen besondern Karakter aufdrücken, und, mit Ausnahme einiger Wasser- und kryptogamischen Gewächse, ist der Boden in jeder Region mit verschiedenen Pflanzen bedekt. Dieses ist nun mit der wilden Natur, mit der Masse von erdigen Substanzen, welche die Oberfläceh unsres Planeten bedecken, der Fall nicht; denn derselbe verwitterte Granit, auf welchem unter dem kalten Himmel von Lappland das Vaccinium, die Andromeden und die rennthiernährende Lungenflechte wachsen, findet sich auch unter den Gebüschen von baumartigem Farrnkraut, von Palmen und Heliconia, deren glänzende Blätter sich nur unter Einwirkung der Aequator-Hitze entwickeln. Landet der Nordländer nach einer langen Schiffahrt an der fernen Küste einer andern Halbkugel, so wundert er sich mitten unter einer Menge neuer Produkte dieselben Schichten von gewöhnlichem Schiefer, von Glimmer-Schiefer und Trapp-Porphyr zu finden, wie sie die dürren Küsten des alten Kontinents an dem Eismeere bilden. Unter allen Klimaten hat die Stein-Rinde des Globus dasselbe Ansehen, und der Reisende erkennt überall, in einer, für ihn völig neuen, Welt, nicht ohne Rührung, die Felsen seines Vaterlandes wieder.

Diese Analogie der nicht organischen Natur erstrekt sich auf die kleinsten Phänomene, welche man oft blossen Lokal-Ursachen zuschreiben möchte. In den Cordilleren, wie in den europäischen Gebirgen zeigt der Granit manchmal Zusammenhäufungen in Form abgeplatteter, und in concentrische Lagen abgetheilter, Sphäroiden. In den Tropenländern, wie unter der gemässigten Zone, findet man im Granit jene reichen Massen von Glimmer und Amphibol, welche schwärzlichzen, in ein Gemisch von Feldspath und milchfarbigem Quarz eingeschlossenen, Kugeln gleichen. Der Schillerspath kommt in dem Serpentin von Cuba, wie in dem von Deutschland vor, und die Mandelsteine und die Perlsteine scheine mit denen, welche man am Fuss der Carpathen antrift, identisch. In den entlegensten Regionen sind die Secondar-Felsarten nach dergleichen Gesetzen auf einander gestellt, und überall bezeugen die nämlichen Denkmale dieselbe Folge von Revolutionen, welche nach und nach die Oberfläche des Globus verändert haben.

Erhebt man sich übrigens zu den physischen Ursachen, so wundert man sich weniger darüber, dass die Reisenden keine neuen Felsarten in den entlegenen Ländern entdekt haben. Das Klima wirkt auf die Form der Thiere und Pflanzen, weil das Spiel der Verwandtschaften, das die Entwiclung der Organe beherrscht, zugleich durch die Temperatur der Atmosphäre und die aus den verschiedenen, durch die chemische Wirkungskraft gebildeten, Combinationen modifiziert wird. Allein auf die Bildung der Felsarten kann die ungleiche Vertheilung der Wärme, welche eine Folge der schiefen Richtung der Ekliptik ist, keinen auffallenden Einfluss gehabt; vielmehr muss diese Bildung selbst auf die Temperatur des Globus und der, ihn umgebenden, Luft mächtig gewirkt haben. Wenn grosse Massen von Materie aus dem flüssigen Zustand in den der Trockenheit übergehen, so kann dieses nicht ohne eine grosse Entwicklung von Wärmestoff geschehen. Diese Betrachtungen scheinen auf die ersten Wanderungen der Thiere und Pflanzen einiges Licht zu werfen, und ich wäre beinahe versucht, aus dieser progressiven Erhöhung der Temperatur mehrere wichtige Probleme, und zwar besonders das Daseyn indischer Produkte, welche in nördlichen Ländern in der Erde gefunden werden, zu erklären, wenn ich nicht die Menge von geologischen Träumen zu vermehren fürchten müsste.

Die Basalte von Regla, welche auf dieser Kupfertafel vorgestellt sind, liefern einen unwidersprechlichen Beweis dieser Identität der Formen, welche an den Felsen der verschiedenen Klimage bemerkt wird. Ein gereiseter Mineraloge braucht diese Zeichnung nur anzusehn, um die Basalt-Formen im Vivarais, in den euganeischen Gebirgen, oder am Vorgebirge von Antrim, in Irland, wieder zu erkennen. Die kleinsten, in den europäischen Säulen-Felsen beobachteten Zufälligkeiten finden sich auch in dieser Gruppe von mexicanischen Basalten. Eine so grosse Analogie des Bau´s lässt aber auch dieselben Ursachen vermuthen, die, in sehr verschiedenen Epochen, unter allen Klimaten gewirkt haben; denn die, mit Thonschiefern und kompakten Kalksteinen bedekten, Basalte müssen von ganz andrem Alter seyn, als die, welche auf Lagen von Steinkohlen und auf Geschieben ruhen.

Die kleine Kascade von Regla liegt, fünf und zwanzig Meilen nord-östlich von Mexico, zwischen den berühmten Bergwerken von Real del Monte und den mineralischen Wassern von Totonilco. Ein kleienr Fluss, der die, zum Verquicken nöthigen, Stampfwerke in Regla treibt, Werke, welche über zehn Millionen Livres gekostet haben, bahnt sich durch Gruppen von Basalt-Felsen seinen Weg. Die herabstürzende Wassermasse ist sehr ansehnlich; aber ihr Fall beträgt blos sieben bis acht Meters. Die, sie umgebenden, Felsen, deren Zusammenstellung an die Grotte von Staffa, auf den hebridischen Inseln erinnert, die Contraste der Vegetation, das wilde Ansehn und die Einsamkeit des Orts machen diese Kaskad höchst mahlerisch. Auf beiden Seiten der Schlucht erheben sich Säulen-Basalte, die über dreissig Meters hoch, und dicht mit Cactus und Yucca filamentosa überzogen sind. Die Prismen haben gewöhnlich fünf und auch sechs Seiten, und manchmal bis auf zwölf Decimeters Breite. Mehrere haben ganz regelmässige Fügungen. Jede Colonne enthält einen cylindrischen Kern von grösserer Dichtheit, als die ihn umgebenden Theile. Diese Kerne sind wie in die Prismen eingefasst, welche, bei ihrem horizontalen Bruch, sehr merkwürdige Wölbungen zeigen. Ich habe diese Formen, welche man in den Basalten von Kap Fairhead wieder findet, links auf dem ersten Plan meiner Zeichnung angegeben.

Die meisten Säulen von Regla sind völlig senkrecht gestellt; doch bemerkt man auch einige, ganz nahe beim Wasserfall, die sich 45° ostwärts neigen. Etwas entfernter sind welche in horizontaler Richtung. Ueberhaupt scheint jede Gruppe bei ihrer Bildung besondern Anziehungskräften nachgegeben zu haben. Die Masse dieser Basalte ist indess sehr homogen; Herr Bonpland hat in derselben Kerne von kornförmigen Peridot, von crystallisiertem Mesotyp umgeben, gefunden. Die Prismen ruhen, was für die Geologen sehr merkwürdig ist, auf einer Thon-Schichte, unter welcher man gleichfalls wieder Basalt antrift. Im Durchschnitt ist der Basalt von Regla auf den Porphyr von Real del Monte gestellt; da hingegen ein kompakter Kalk-Felsen dem Basalt von Totonilco zur Basis dient. Die ganze Basalt-Gegend steht aber zweitausend Meters über dem Spiegel des Ozeans.


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Diese Seite wurde erstellt am 7. 5. 2002.
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