Ernst Haeckel: Briefe an die Eltern

92. Brief

Würzburg, 22. 8. 1856.

Liebe Eltern!

. . . Mein hiesiges Leben ist natürlich jetzt schon halb tot, da ich mindestens mit der Hälfte meiner Gedanken nur in Nizza bin und im Mittelmeere Salpen, Pteropoden, Kephalopoden, Pyrosomen, Holothurien, Siphonophoren usw. und vieles andere herrliche Viehzeug, was ich in Helgoland nie zu Gesicht bekam, fische, angle, bewundre, zerlege, mikroskopiere usw. Kaum kann ich die Zeit erwarten, wo ich dies zoologische Paradies betreten soll. Oft will mir alles nur noch wie ein Traum vorkommen und um so größer ist dann die Freude, wenn ich mir versichere, daß er sich wirklich realisieren soll. Morgen reist auch Müller ab, so daß ich jetzt vollständiger Alleinherrscher der Anatomie werde . . .

Gestern erhielt ich einen sehr lieben Brief von Lachmann, der sich Euch bestens empfehlen läßt. Johannes Müller geht ebenfalls an das Mittelmeer, wahrscheinlich nach Marseille, vielleicht doch auch nach Nizza. Das wäre doch ganz herrlich, wenn wir diesen göttlichsten aller Naturforscher dort träfen! . . .

Euer alter Ernst.




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Erstellt von Christoph Sommer am 02.07.1999