Italienfahrt - Ernst Haeckel

Rom, 24. 3. 1859.

Brief Nr. 8

Soeben bin ich abends 8 Uhr glücklich wieder in meiner freundlichen römischen Behausung eingetroffen, wo ich durch die Ankunft Deines am 17. abgeschickten Briefes, mein lieber Schatz, durch den Du mich sehr erfreitest, überrascht wurde. Ich will nun gleich noch den Schluß meiner verunglückten Gebirgstour hier hinzufügen. Um 11 Uhr ungefähr verließ ich das Passionistenkloster auf dem Monte Cavo, in dem ich einen in mancher Hinsicht so interessanten Tag verlebt hatte. Wenn ich auch keineswegs überzeugt bin, daß die Mönche dort immer so schlecht leben, wie sie mir es zu kosten gaben (sie lassen sich´s gewiß unter sich rechte bene sein!), so war es doch schon merkwürdig genug, zu sehen, wie sie eigentlich nach ihren strengen Ordensregeln leben müssen, und mir speziell war dies doppelt interessant, da ich noch nie so mit dem Klosterleben speziell bekannt geworden war. Natürlich ist mein Abscheu davor nur dadurch gesteigert worden, denn der fromme Dünkel und das heilige Selbstgefühl, mit dem diese pietistischen Betbrüder sich etwas Besseres als die andern Leute dünken und einen besonderen Stein beim lieben Gott im Brett zu haben glauben, sind mir ebenso abschreckend, als ich das faule Nichtstun, wobei sie nur singen und beten und dann die Hände in den Schoß legen, viel weniger achten kann als die tägliche Arbeit eines anderen gesunden Menschenkindes. Auch liegt in der ganzen Lebensweise zuviel Unnatürliches, als daß man davon erbaut sein könnte; und die Widersprüche zwischen ihrem Reden und Tun sind auch nicht gering. So wollte sich beim Abschied der Pater Guardian nicht dazu verstehen, eine Rechnung zu machen, strich aber das Geld, was ich per carita als elemosine, als Almosen für die Kirche (per la chiesa!) dortließ, mit dem größten Vergnügen ein.

Meinen Rückweg vom Kloster schlug ich direkt nach Frascati ein, wobei ich mich etwas im Walde verirrte. Doch war mir das ganz lieb, da ich in einem kleinen Waldtale dabei sehr malerische, mit Efeu überwucherte Reste einer römischen Wasserleitung fand und auch noch durch mehrere hübsche Blumen erfreut wurde, ein Symphytum (tuberosum?), Ulex, eine Boraginee usw. Um 2 Uhr langte ich auf einem etwas anderen Wege wieder in Frascati an. Ich benutzte die noch übrige Zeit, um eine kleine Exkursion nach den ruinen von Tuskulum und insbesondere nach Ciceros Tuskulanischer Villa zu machen, die auf dem nächsten über Frascati sich erhebenden Berge liegen. Die Ruinen selbst sind sehr unbedeutend, Reste von Mauern und Toren und einem kleinen Amphitheater; dagegen ist die Aussicht auf die Gebirge, die Campagna, Rom selbst und das weite Meer sehr schön. Etwas andere, gleichfalls sehr hübsche Aussichten hatte ich auch noch von den Höhepunkten der beiden Villen, Aldobrandini (dem Fürsten Borghese) und Rufinella (dem König von Sardinien gehörig), über welche ich wieder nach Frascati herabstieg. von ersterer, die in ihren schönen großen Wald- und Parkanlagen viele hübsche Wasserkünste enthält, Springbrunnen, Kaskatellen usw., sieht man besonders auf die Campagna, Rom und das Meer; von letzterer vorzüglich schön nach Norden in die wilden Schluchten des Sabinergebirges hinein. Die Sonne war eben aus den Wolken, die sich auf die höchsten Gipfel zurückgezogen hatten, hervorgetreten und warf prächtige Streiflichter in die düstere Gebirgslandschaft und auf die schimmernde, weite Campagna mit ihrem Ruinenschmuck, namentlich den langen Wasserleitungen, die ihr ein so eigentümliches Aussehen geben. Um 5 Uhr fuhr ich von Frascati nach Rom zurück, wo ich mich durch eine gute Makkaronischüssel (mein tägliches Brot) für die Entbehrungen des Klosterlebens entschädigte. Doch nun gute Nacht, ihr Lieben, ich bin herzlich müde.


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