Italienfahrt - Ernst Haeckel

Capri, 16. 8. 1859

Brief Nr. 38

Die erste Hälfte des August ist schon vorüber und noch habe ich trotz aller Muße keine Zeit gefunden, Euch Lieben das Glück meines hiesigen Aufenthaltes zu schildern. So nimmt die überschwengliche Naturwonne und die künstlerische Beschäftigung, welche sie mit Pinsel, Farbe und Bleistift für alle übrige Lebenszeit festzuhalten und zu fixieren sucht, hier jeden Moment der nur zu rasch verfliegenden Zeit in Anspruch. Ich wünschte nur, ich könnte Euch Lieben alle einmal auf ein paar Tage herzaubern, um mit mir zu genießen und glücklich zu sein. Wie gern wollte ich auf den größeren Teil des Genusses verzichten, könnte ich dafür den kleineren mit Euch teilen. Die mitgebrachten Aquarelle werden Euch doch immer nur einen schwachen, schattenhaften Begriff von dieser Fülle und Pracht der Formen und Farben geben können, mit der Mutter Natur ihren Lieblingsfelsen Capri ausgestattet hat. Nun hat aber auch der begünstigende Zufall hier jetzt alles zusammengeführt, um mir den August auf Capri zu einem künstlerischen Naturgenußleben edelster Art zusammen zu weben, welches unter der Überschrift "Künstlertraum" eines der reizendsten, liebsten Blätter in meiner Lebensgeschichte einnehmen wird. Ich bin wirklich gespannt, wie mir nach diesem Stückchen Malerleben das ernste Naturforscherleben in Messina schmecken wird. Ich fürchte, anfangs nicht allzu gut; denn dieser olympische Capri-Aufenthalt ist gar zu heiter und froh, als daß man ihn so rasch wieder vergessen könnte.

Unangenehm und ungemütlich waren hier nur die ersten Tage, wo ich versuchte, meinen ursprünglichen Plan, hier einen Monat ausschließlich mit mikroskopischen Studien und zoologischen Untersuchungen zuzubringen, ernstlich durchzuführen. Indes überzeugte ich mich schon nach wenigen Tagen von der Unmöglichkeit. Vor allem waren die Ergebnisse der pelagischen Fischerei höchst ärmlich und spärlich und von der Unmasse pelagischer Tierformen, mit denen ich die Meeresoberfläche um Capri bevölkert geglaubt hatte, fast nichts zu sehen. Es muß dies jedenfalls auf Schuld der ungünstigen Jahreszeit und besonders der subtropischen Hitze zu schieben sein; denn in den kühleren Monaten muß das reine Meereswasser mit seiner bedeutenden Tiefe rings um die Küste und mit günstigen Strömungsverhältnissen sicher von einer großen Menge der schönsten Tierchen wimmeln. So sehr ich anfangs diese neue Täuschung bedauerte, so gewöhnte ich mich doch sehr rasch daran, sie fast als ein Glück anzusehen; denn ich sah bald ein, daß es auch bei Überfluß an interessantem Arbeitsmaterial doch fast unmöglich sein würde, die schönen Arbeitsvorsätze nach dem vorgenommenen Plan auszuführen, wenigstens für eine Natur, wie ich bin, in der der emsige Ameisenfleiß des Spezialforschers noch nicht die übermäßige Freude an der herrlichen Natur ganz unterdrückt hat. Wer könnte da ruhig und stetig den ganzen Tag hinter dem Mikroskop sitzen und seine Sinne und Gedanken auf die genaueste Betrachtung der kleinsten, wenn auch noch so interessanten Einzelheiten fixieren, wo die entzückende Pracht des Makrokosmus si emit einer wirklich märchenhaften Fülle davon abzieht! Ich müßte schon wirklich ein ganz verknöcherter Gelehrter sein, wenn ich mit ruhigen Gleichmut alle Tage mein Mikroskop auf dem großen grünen Tisch in einer offenen Loggia aufstellen und den ganzen Tag aufmerksam dahinter arbeiten und in meinem Laboratorium kramen sollte, wo mir der klarste Himmel, das blaueste Meer, die schönsten Palmen und die malerischen Berge lachend in die beiden weiten Bogenfenster der Loggia hineinblicken und lauter Stimme: hinaus! hinaus! rufen, so daß ich bei jedem Aufblick vom Mikroskop von neuem davon überrascht werde.

So ist es denn dahin gekommen, daß ich naturwissenschafltiche Arbeit nur von Zeit zu Zeit und mehr als pikantes Intermezzo in Angriff nehme, um dann mit erneutem Jubel wieder in das mächtige, große Naturganze hinauszuspringen. So wäre es wohl jedenfalls gekommen, auch wenn ich hier ganz allein geblieben wäre. Nun kommt aber hinzu, daß ich im traulichsten Verkehr mit der nettesten Künstlergesellschaft lebe, und dieses gemeinsame Natur- und Kunsttreiben hat so viel Anziehendes und für mich Neues, daß ich mich gar nicht davon losreißen mag. Ich bin übrigens nicht der erste, der von diesem herrlichen Leben in der Künstlerkneipe zu Capri halb wider Willen festgehalten wird; die meisten Naturfreunde und Künstler, welche in die Locanda des Pagano kommen, um Capri einige Tage zu schenken, bleiben statt dessen ein paar Wochen oder einen Monat.

Will ich nun versuchen, Euch ein einigermaßen anschauliches Bild von dem Capri-Märchen zu entwerfen, so weiß ich kaum, wo ich anfangen soll, so reizend und reich sind alle Seiten desselben. Um es erst im allgemeinen zu charakterisieren, kann ich am besten sagen, daß es zum Teil eine poetische Realisierung jener schönen Träume eines ursprünglichen, halb wilden Naturlebens ist, denen ich von früher Jugend an mit besonderer Vorliebe nachgehangen habe. Die Gedanken eines unmittelbaren Hingebens an die reine, köstliche Natur, eines harmonischen Zusammenlebens mit ihrem einfachen und doch so reichen Stilleben, wie ich sie schon als Kind beim Lesen des Robinson Crusoe empfing und später nach der Lektüre von Humboldts Naturansichen weiter ausspann, endlich einmal eine Zeitlang in einem Aufenthalt in einem tropischen Urwald zu verwirklichen hoffte, die ich dann durch meine großen Alpenwanderungen, wenn auch in anderer Weise, zum Teil befriedigte, finde ich hier auf Capri, wieder von einer anderen Seite, teilweis verwirklicht. Man könnte Capri wirklich ein kleines Paradies nennen, so rein und unschuldig, so einfach und natürlich, so rein und wahr stellt sich hier das Menschenleben in der köstlichsten Natür überall dar. Man kann sich auch in dieser Beziehung keinen größeren Gegensatz denken als Capri und Neapel. Die einfache Menschenwelt Capris kommt mir fasst wie ein unverdorbenes Urvolk vor. Dank sei den steilen, rauhen Felsen, die wie eine unübersteigliche Mauer das Klippeneiland von allen Seiten umgürten und abschließen. Dank den steilen, beschwerlichen, steinigen Treppenpfaden, die den kleinsten Weg nicht ohne mühevolle Anstrengung zurücklegen lassen, dank der ärmlichen, alles Komforts entbehrenden Lebensweise und der anspruchslosen Einrichtung der nur für Künstler berechneten beiden kleinen Gasthäuser; - der große, alles verderbende Schwarm der Touristen und Engländer geht hier noch spurlos vorüber - nachdem sie pflichtmäßig in einer Stunde die blaue Grotte besucht, kehren sie möglichst rasch wieder nach Neapel zurück und wissen dann von der eigentlichen wunderbaren Naturschönheit des Inselkleinodes so viel wie vorher; - aber die können mit beruhigtem Gewissen erzählen und in ihr Tagebuch schreiben, daß sie in der Blauen Grotte gewesen; und doch ist diese nur eine einzige von den vielen hundert großartigen Naturschönheiten, die hier in wunderbarer Fülle auf kleinsten Raum zusammengedrängt sind. Neapolitaner kommen nun vollends gar nicht her, und das ist das größte Glück: diese Menschenrasse hat weder für Kunst noch für Natur das geringste Interesse - sie leben inmitten ihres Paradieses wie die Blinden, und daß einmal ein echter Neapolitaner, zumal ein sogenannter "Gebildeter" in Pompeji oder Bajä, auf dem Vesuv oder Camaldoli, auf Ischia oder Procida gewesen wäre, gehört zu den größten Seltenheiten. Höchstens fahren sie einmal mit dem Dampfschiff nach Sorrent, oder mit der Eisenbahn nach Castellammare, besonders aber nach Caserta, welches langweiligste aller steifen Zopfschlösser für sie die größte Schönheit ist. Nach Capri verliert sich vollends keiner; das liegt ganz außer ihrem Gesichtskreis - obgleich es ihnen von allen Punkten ihres schönen Golfes aus vor der Nase liegt. So kommt es denn, besonders seit ein Dampfschiff die Fremden sehr bequem nach der Blauen Grotte und noch am selben Tage nach Neapel zurückbringt, daß fast ausschließlich Maler Capri zu ihrem Aufenthaltsort wählen, die dann alle mit einer von schönen Bildern vollen Mappe und dankbaren frohen Herzen nach längerem Aufenthalt das reizende Eiland wieder verlassen.

Als ich ankam (2. 8.), bestanden die Gäste des Hotel Pagano eben auch nur aus zwei Malern, einem Engländer und einem Portugieren; dazu kam nach 2 Tagen der überraschende Besuch des lieben, prächtigen Norwegers Gjertsen, in dessen liebenswürdiger Gesellschaft ich zwei der schönsten Tage auf der Insel verlebte, und als dieser am 8ten früh wieder abreiste, kam grade der liebe Allmers aus Sorrent herüber, und zufällig trafen gleichzeitig aus Neapel zwei deutsch-russische Künstler aus Livland ein. Wir vier Künstler also, nämlich Allmers und ich, die mit großem Behagen sich ebenfalls ganz als Künstler gerieren, da sie doch nolens volens überall als Artiste gelten, dann die beiden Livländer, der Bildhauer Alexander v. Bock und der Maler Johannes Köhler - recht nette, deutsch gesinnte Nordländer - sind nun von früh bis zum Abend im nettesten Stilleben, heitersten Naturgenuß und beglückender Malertätigkeit beisammen - und Meer und Himmel, Berg und Fels, Bäume und Kräuter wetteifern, sich uns in immer neuer und schöner Komposition von den verschiedensten Seiten darzustellen und unsern Bleistift und Pinsel in der angenehmsten Weise zu beschäftigen. Ein höheres Interesse und einen wirklich poetischen Glanz erhalten alle deie schönen Partien besonders noch durch die nicht genug zu schätzende Gesellschaft des lieben Allmers, dessen reicher, vom tiefsten Schönheitsgefühl durchwehter und mit der lebendigsten Auffassung begabter Dichter- und Künstlersinn allen Gegenständen die schönste, anmutigste Seite abzugewinnen und die toten Massen zu den lebendigsten Gestalten umzuformen weiß. Daneben sorgt er durch eine sprudelnde Fülle heiteren Witzes und interessanter Erzählungen, von denen er ganz vollsteckt, auch in den Mußestunden für unsere Unterhaltung, so daß wir fast den ganzen Tag aus dem munteren Gespräch nicht herauskommen.

Unser gemeinsamer Lebenslauf beginnt mit sehr frühem Aufstehen, noch bevor die Sonne über den Tiberiusfelsen heraufsteigt und das alte Castiglione mit dem ersten Rosenschimmer überzieht. Dann stiegen wir die steile Treppe nach der Grande marina herunter, wo wir in den morgenfrischen Meereswellen alle Schlafdämmerung abspülen und Kraft und Frische für den heißen Tag holen. Noch ehe die Sonne über den Micheleberg kommt, steigen wir in dessen Schatten wieder herauf und nehmen nun gemeinsam das fröhliche Morgenfrühstück in dem trefflichen Hotel Pagano ein, das ebenso wie das Pranzo um 2 Uhr und die Cena um 8 Uhr trefflich mundet. Von der trefflichen Aufnahme, guten Bewirtung und aufmerksamen Bedienung in dieser musterhaften Künstlerkneipe, die für die beste in ganz Italien gilt, habe ich Euch ja wohl schon bei meinem ersten Aufenthalt in Capri (am 1.-3. Mai) geschrieben, und ich habe jetzt täglich Gelegenheit, dies von neuem zu bestätigen. Dabei bezahlen wir so wenig (9 Carlin für alles in allem pro Tag, daß mein durch den teuren Aufenthalt in dem ebenso kostspieligen als schlechten Neapel sehr angegriffener Beutel sich von seiner Schwindsucht zu erholen beginnt, was für Sizilien sehr ersprießlich ist. Der nette Wirt, Signor Pagano, wie wir ihn nennen: "Don Michele" - sowie seine gute Fraud, der nette, älteste Sohn, der 16jährige "Pepino" (Guiseppe), die ganze übrige Familie sind so liebenswürdig, daß man sich schon in den ersten Tagen ganz heimisch fühlt. Die Locanda selbst ist überaus freundlich und reinlich, so recht nach meinem Geschmack, und erinnert mich durch ihre kleinen, freundlichen Zimmer mit ihren reinweißen, ganz schmucklosen Wänden und den blühenden Blumentöpfen auf dem Gesims oft lebhaft an unsere trefflichen, gemütlichen Bauernkneipen im Salzkammergut, in Tirol usw. Von modernem Hotelluxus findet sich keine Spur, ebensowenig von der widerwärtigen Kellnerwirtschaft; alle Dienste versieht die Wirtsfamilie selbst. Ich habe das netteste Zimmerchen im ganzen Haus bekommen. Es ist zwar nur sehr klein, öffnet sich aber durch zwei weite, hohe Flügeltüren in eine große, lichtvolle, hochgewölbte Loggia, aus deren beiden weiten, nur durch einen schmalen Pfeiler getrennten Bogenfenstern (die nur durch Gardinen verschließbar sind) ich den schönsten Blick auf die stille Natureinsamkeit der Mitte der Südküste habe: links den großen Tuoroberg mit dem Telegraphen obenauf, darüber vorragend aus dem Meer die wilde, öde Faraglionklippe, wie eine uralte, halbzertrümmerte Pyramide, dann in der Mitte die Certosa, eine mittelalterliche Klosterruine mit schönen rundbogengängen, rechts vor mir im Garten des Hauses die schönste Palme, die man sich denken kann, darüber im Huntergrund der steile Berg Castiglione, der die malerischen Ruinen einer alten Burg trägt. Und nun in der Mitte zwischen den beiden Bergen über dem Karthaus das himmlich blaue Meer, dessen unendlich weiter, offener Spiegel, nur selten von einem einsamen Segel belebt, mir fast noch nirgends so unermeßlich großartig erschienen ist wie grade hier.

Steige ich nun aus meiner Loggia nur wenige Stufen hinauf, auf das über ihr sich wölbende niedrige Kuppeldach, so habe ich noch den reizendsten Überblick des ganzen Städtchens, mit seiner hohen Kuppelkirche, den maurischen gewölbten Kuppeldächern, dem Fort S. Michele und vor allem dem mächtigen, breiten Felsgürtel des Monte Solaro, der Ost- und Westhälfte der Insel so scharf von einander trennt, daß beide nur durch eine einzige, aus etwa 600 Stufen bestehende, sehr steile Felstreppe verbunden sind. Besonders am Abend ist der Aufenthalt auf diesem Dach so reizend, daß wir allabendlich 1-2 Stunden daselbst verplaudern, und in voriger Woche, als der köstlichste Vollmondschein sein reines Silberlicht in südlicher Glanzesfülle über die ganze Insel goß, die Nächte im Zimmer aber sehr schwül und heiß waren, habe ich ein paarmal oben geschlafen, und auch Allmers hat, meinem Beispiel folgend, ein paar köstliche Nächte oben zugebracht. Diese Vollmondabende waren überhaupt so zauberisch schön, daß ich nie ähnliche im Norden gesehen zu haben meine, vor allem der goldige Spiegel im Meere, der wie ein goldenes Vlies auf den dunkel stahlblauen Wellen hin und her zitterte, daß Gjertsen und nachher auch Allmers und ich ein paarmal von dem hohen Castiglionefelsen aus dem wunderbaren Spiele stundenlang zugesehen haben. Dabei ist der Himmel immer so rein dunkelblau, daß es schließlich fast langweilig wird und man sich nur der Abwechslung halber wieder ein paar Wolken wünscht. Regen habe ich nun seit fast 3 Monaten keinen mehr gesehen, und Gewitter ist nur ein einziges dagewesen. Die Bäume bleiben trotzdem (durch den sehr starken nachttau und die feuchte Seeluft) recht frischgrün; die niedere Vegetation verbrennt aber gänzlich, und der Boden ist daher, abgesehen von den immergrünen Sträuchern und Kräutern und einigen Fettpflanzen, überall nur mit dürren, vertrockneten Grashalmen und Blättern bedeckt. Im ganzen erhält er aber dadurch jenen wundervollen, in lebhaftem Gelb, Rot oder Braun spielenden warmen Farbenton, welcher mit dem stillen Violettgrün der nackten Felsen wunderbar schön kontrastiert und der Landschaft ihren echt südlichen, warmen Charakter aufprägt.

Wenn nun auch in botanischer Hinsicht das Maikleid der Insel mit seiner prachtvollen Frühlingsflora - den hohen, weißen Asphodelus-Lilien, den wunderbar geformten, purpurnen Orchideen, den silberblätterigen Strandwinden, den bunten Erikablütenwäldern und all den andern köstlichen, bunten und duftigen Frühlingsblumen, die alles damals so reizend kleideten, viel interessanter war, so hat die Landschaft doch in malerischer Hinsicht durch dies rotbraune und glutgelbe Herbstkleid sehr gewonnen und ihren südlichen Charakter erst recht ausgeprägt. Von dieser mächtigen, wunderbaren Farbenglut, in der die Felsen und Berge hier, besonders im Morgen- und Abendrot, in allen möglichen Nuancen spielen, und von dem wunderbaren Kontrast, den diese warmen Farbenstufen mit dem kühlen Grau und Violett anderer Stellen und dem Violettblau der Schlagschatten bilden, hat unser blasser, kalter Norden doch kaum eine Ahnung, und nur viele Alpenwunder können sich dieser Naturpracht ebenbürtig an die Seite stellen. Und nun dieser Zauber der schönsten Linien, der schwungvollen Formen: man muß diese Bergkonturen, diese Felsbildungen selbst sehen, um sich von ihrem vollendeten Formenzauber einen Begriff zu machen. Unter anderm zeichne ich jetzt einen Berg, den Tuoro grande, der durch den kühnen Schwung und rhapsodischen Fall seiner Umrisse mit dem als dem schönsten Europas gerühmten Berge, dem Monte Pellegrino bei Palermo, kühn wetteifern kann. In dieser wildetesten, großartigsten Gebirgswelt der Felsen fühle ich mich so recht glücklich und heimisch und kann im Zeichnen und Malen ihrer unübertrefflichen Formen gar nicht müde werden, so daß sich selbst die Maler darüber wundern. Ein großes Aquarell ist mir auch so gelungen, djaß Allmers gar nicht glauben wollte, daß ich es allein gemacht hätte und schließlich meinte, wenn es wirklich wahr wäre, so wäre die größte Gefahr vorhanden, daß ich den Quallen und Seesternen untreu würde. Und in der Tat, der Gedanke, noch auf meine alten Tage Landschaftsmaler zu werden, ist mir nie so nahe getreten wie grade jetzt hier, wo ich in das heitere, harmlose, phantasievolle Künsterleben einen so reizenden Blick getan und dessen Lichtseiten gegenüber dem ernsten, kalten, verständigen Wissenschaftsleben des Gelehrten so recht schätzen gelernt habe. Was muß das für ein Glück sein, immer nur in der poetischen Welt des Lichts und der Farben zu leben und Formen und Gestalten der unerschöpflichen reichen Natur mit treuem Pinsel wiederzugeben; dabei alles Unschöne vermeiden und die Phantasie immer nur zu Schöpfungen des ewig Schönen und Anmutigen spielen zu lassen. Wirklich - wäre ich nicht Naturforscher, so möchte ich bloß Landschaftsmaler sein (was übrigens auch nur ein Stückchen Naturstudium ist), und wer weiß, was noch passiert! Sicher ist, daß ich gleich nach meiner Zurückkunft in Öl zu malen anfangen werden, worauf ich schon jetzt hier ordentlich brenne . . .


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Diese Seite wurde erstellt am 22. Juni 1999