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Kapitel XVII

Nurellia

Der weitaus besuchteste und bekannteste Ort des Hochlandes von Ceylon, die beliebteste „Sommerfrische" der Insel, ist Nurellia (geschrieben  N u w a r a -  E l l y a , d. h. die „Lichtstadt"). Dieser Ort liegt inmitten eines muldenförmigen elliptischen Hochthales von 1-2 Stunden Ausdehnung, das rings von 1500 bis 2000 Fuß hohen Bergketten eingeschlossen ist. Das Plateau selbst liegt zwischen 6000 und 6200 Fuß über dem Meere. Klima und Scenerie sind völlig verschieden von demjenigen des Tieflandes und erinnern vielmehr an das Gebirgsland von Mitteleuropa. Wenn auch am Mittag bisweilen die Tropensonne eine Hitze von 20-25o R. hervorruft, so sind doch die Nächte beständig kühl und im Frühjahre findet man nicht selten morgens das Gras mit Reif bedeckt und die Wassergefäße, die man zur Kühlung vor das Fenster gestellt hatte, mit einer dünnen Eisschicht überzogen. An den meisten Tagen wird abends und morgens Feuer in den Kaminen gemacht, die überall in den niedrigen steinernen Häusern anbracht sind. Wenn man bedenkt, daß Nurellia unter 7o nördlicher Breite liegt, so erscheint eine mittlere Jahrestemperatur von 12-13o R. bei nur 6000 Fuß Meereshöhe auffallend niedrig. Sie ist wohl, wie die unverhältnißmäßig niedere Temperatur des Hochlandes überhaupt, vorwiegend der isolirten Lage von Ceylon und der überaus starken Verdunstung bei Tage, wie der nächtlichen Abkühlung durch Wärmestrahlung zu verdanken. Die Luft ist beständig feucht. Dichter Nebel erfüllt das ganze Hochthal oft tagelang. Die Regenmenge ist überaus groß; zahlreiche Quellen und Bäche, die überall von den Berghängen in reicher Fülle herabstürzen, begünstigen die üppigste Vegetation und speisen den kleinen See, der einen großen Theil der Südhälfte des Plateau´s einnimmt. Dieses Uebermaß von kühler Feuchtigkeit, von Nebel- und Wolkenbildung, Regen und Sturm verstärkt den ernsten und melancholischen Eindruck, welchen die einförmige Gestalt der einschließenden Bergketten, die düstere Farbe ihrer schwarzgrünen Wälder und des braungrünen Moorbodens der Sumpfwiesen unten im Thale hervorbringt. Man fühlt sich oft unwillkürlich fünfzig Breitengrade weiter nördlich, nach dem Hochlande von Schottland versetzt, und genau diese düstere Stimmung, die mich vor wenigen Jahren (im Herbste 1879) beim Durchstreifen des letzteren erfaßt hatte, überkam mich auch zu wiederholten Malen in dem Hochmoore von Nurellia. Ja ich glaube, daß sich aus dieser auffallenden Aehnlichkeit in Klima und Scenerie mit Schottland auch großentheils die ausgeprägte Vorliebe der britischen Colonisten für Nurellia erklärt. Das Feuer im Kamin zaubert ihnen hier nciht weniger die Reize der entfernten nordischen Heimat vor, als draußen der Zug der grauen Nebelwolken, die sich von den schwarzen Bergwäldern auf das feuchte, dunkle Moor und den blanken Spiegel des eiskalten Sees herabsenken. Zwar war dies entlegene und verborgene Hochthal von Nurellia, mittem im schönsten Theile des waldigen Oberlandes, den Eingeborenen des heißen Unterlandes schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt; und ein alter Kandykönig soll schon im Jahre 1610 hier vor den portugiesischen Eroberern eine sichere Zuflucht gefunden haben. Allein den ersten Besuch von Europäern erhielt es erst im Jahre 1826. Es waren englische Officiere, die sich auf der Elephantenjagd zufällig hierher verirrten: sie gaben von der erfrischenden Kühle und Schönheit des Gebirgsthales eine so begeisterte Schilderung, daß der damalige Gouverneur, Sir Edward Barnes, sich alsbald daselbst ein Bungalow baute und eine Gesundheitsstation für die britischen Truppen gründete, welche schon 1829 eröffnet wurde. In der That wirkt die kühle Gebirgsluft von Nurellia auf den europäischen Organismus, der durch längeren Aufenthalt im heißen Unterlande erschlafft ist, ganz wunderbar erfrischend; und wenn man jetzt mit Hilfe von Eisenbahn und Postkutsche innerhalb von vierundzwanzig Stunden von Colombo hier hinauf gelangt, so fühlt man sich mit einem Schlage wie umgewandelt. Das ungewohnte Vergnügen des Frierens und der einseitigen Erwärmung am Kaminfeuer, das behagliche Gefühl, mit dem man wieder beim Ausgehen den längst entwöhnten Ueberrock und Plaid anthut, und sich abends ein Mal wieder die warme Bettdecke bis über die Ohren zieht, wirken als Contrast zu den nackten Gewohnheiten des heißen Unterlandes so anheimelnd, daß man allenthalben in den Städten des letzteren mit Begeisterung Nurellia preisen hört. Würden wir direct aus unserem Norddeutschland dahin versetzt, so würden wir von der überraschenden Aehnlichkeit nur wenig erbaut sein! Im Allgemeinen wird die Bedeutung von Nurellia als Gesundheitsstation sicher stark übertrieben; denn das feuchte und kalte Klima, dessen Temperatur an klaren Wintertagen zwischen Morgen (3-4o) und Mittag (20-25o) nicht selten um mehr als 20o R. innerhalb sechs Stunden springt, disponirt natürlich leicht zu starken Erkältungen und ist für viele Leiden, insbesondere katarrhalische und rheumatische, nichts wenige als zuträglich. Auch hörte ich von schweren Erkrankungen, die der plötzliche Klimawechsel zwischen Colombo und Nurellia herbeigeführt hatte. Trotzdem erhält sich, theils durch künstliche Reclame, theils in Folge secondärer Verhältnisse, sein hoher Ruf als klimatischer Curort beständig und ist sogar fortwährend im Wachsen. Die Zahl der englischen Landhäuser oder „Cottages", welche den grasigen Thalboden und den Fuß der waldigen Gehänge bedecken , nimmt von Jahr zu Jahr bedeutend zu und es kann nicht lange mehr dauern, so wird Nurellia eine ansehnliche Stadt sein, allerdings nur während des dritten oder vieten Theiles des Jahres bewohnt, während der trockenen Monate Januar bis April. Später, während der Dauer des Südwest-Monsuns, läßt der ununterbrochene triefende Regen keinen längeren Aufenthalt mehr zu. Der letztere Umstand macht es zweifelhaft, ob Nurellia sich, wie Viele hoffen, bleibend zur Errichtung einer großen Erziehungsanstalt für die in Ceylon geborenen Kinder der Europäer eignen wird. Dazu kommt noch die enorme Theuerung der Wohnungen und Lebensmittel. Nirgend in Ceylon hat mein schlanker Jenenser Geldbeutel so schwer geblutet, wie in dem schlechten Rasthause von Nurellia. Beispielweise mußte ich für jedes Hühnerei 50 Pfennige zahlen, für ein Pfund Butter 2 Mark, eben so viel für jede Flasche schlechtes Bier u. s. w. Obwohl daher jeder europäische Gentleman in den heißen Küstenstädten von dem heimlichen Verlangen beseelt ist, die trockene kühle Frühlungsaison in Nurellia zuzubringen, besinnt er sich doch mehr als ein Mal, ob sein Portomonnaie diese starke Erleichterung ertragen kann. Sehr amüsant zu beobachten ist, wie die Anpassung an die Vorstellung, in einem „ B a d e o r t e  erster Classe" zu leben, hier unter dem 7. Grade nördlicher Breite ganz dieselben Culturauswüchse und Modekrankheiten hervorruft, wie 50 Breitengrade weiter nördlich in den vornehmen Bädern von Nordeuropa. Das starke Geschlecht wetteifert mit dem schönen in Production der elegantesten, theuersten und geschmacklosesten Toiletten. Die kleinen Kinder erscheinen oft in Kleidungen, welche lebhaft an diejenigen ihrer vierhändigen Stammverwandten im Affentheater erinnern. Die reichsten und vornehmsten Residenten such sich in ihren modernen Equipagen auf den Promenadenanlagen eben so durch Glanz der Ausstattung zu überbieten, wie innerhalb ihrer Cottages durch Luxus des Mobiliars. Daher entwickeln sich auch bereits mitten zwischen den Bananen- und Reishandlungen der Singhalesen jene charakteristischen Luxusläden unserer Badeorte, in denen raffinirten Schwindler durch zehnfach übertriebene Preise den eleganten Badegästen die wohlverdiente Strafe für ihre Modenarrheiten angedeihen lassen. Mir kam dieses europäische Badetreiben mitten im wilden Hochlande von Ceylon, wo zahlreiche Elephanten, Bären und Leoparten noch jetzt die Wälder in wenigen Stunden Entfernung bevölkern, um so komischer vor, als ich noch ganz von den Erinnerungen an mein primitives Singhalesen- Leben in dem erst kürzlich verlassenen Belligemma erfüllt war. Die Illusion, hier in einem europäischen Badeorte sich zu befinden, wird um so größer, als auch die Mittagstafeln von Nurellia sich möglichst denjenigen der letzteren anzupassen suchen. Da bekommt man zu seiner großen Ueberraschung frische Kartoffeln in der Schale, gewürzt mit frischer Butter, zu essen, ferner frische grüne Erbsen und Bohnen, Kohl u. s. w. Alle diese edlen europäischen Gemüse gedeihen in den Gärten und auf den Aeckern von Nurellia fast eben so gut, wie daheim bei uns; und die Kartoffeln (- für die germanische Rasse natürlich die Hauptsache! -) können bei guter Düngung (mit Knochenmehl) sogar vier Mail im Jahre auf demselben Acker geerntet werden! Leider muß man dafür auch das Vier- bis Sechsfache zahlen Es ist aber sehr unterhaltend bei Tische, den Enthusiasmus zu vernehmen, mit dem hier der kühle Brite von den vortrefflichen Kartoffen und Erbsen, von dem warmen Ueberrock und dem Kaminfeuer spricht. Man siehts, der Hauptreiz des Lebens liegt überall in der Contrastwirkung! Die große Aehnlichkeit, welche das gelobte Land von Nurellia mit Nord-Europa besitzt, und welche ihm die warme Sympathie der europäischen Colonisten von Ceylon einbringt, ist übrigens zum großen Theile nur oberflächlich und zeigt bei genauerem Zusehen mancherlei Differenzen. Das gilt sowohl von dem Klima, als von der Vegetation, den beiden Hauptfactoren, welche den Character jedes Landes bestimmen. Was das Klima betrifft, so zeichnet sich nicht allein Nurellia, sondern auch das übrige Hochland von Ceylon durch ganz eigenthümliche Verhältnisse aus, die durch die insulare Lage, frei im indischen Ozean und unterhalb der Südspitze des vorderindischen Festlandes bedingt sind. Die beiden Passatwinde, der trockene Nordost-Monsun des Winters ebensowohl als der nasse Südwest-Monsun des Sommers, führen in Folge der localen Verhältnisse hier beide Niederschläge herbei, nur mit dem Unterschiede, daß die schweren Regenmassen des letzteren weit bedeutender und anhaltender sind, als die des ersteren. Daß auch die sogenannte „trockene Jahreszeit" hier (ebenso wie an der Küste von Südwest-Ceylon) ihren Namen nur euphemistisch führt, davon konnte ich mich aus eigener Erfahrung genügend überzeugen. Während meines dreiwöchentlichen Aufenthaltes im Hochlande kamen häufig (besonders Nachmittags) starke Regengüsse, bisweilen von solcher tropischen Gründlichkeit, daß ich trotz Regenschirm und Regenmantel keinen trockenen Faden am Leibe behielt. Auch die  F l o r a   v o n   N u r e l l i a , die auf den ersten Blick überraschend viel Aehnlichkeit mit unserer norteuropäischen hat, zeigt bei beneurer Betrachtung sehr wesentliche Unterschiede. Die baumgrünen subalpinen Moorwiesen, welche die Thalsohle größtentheils bedecken, sind zwar auch, wie bei uns vorzugsweise aus Riedgräsern und Binsen zusammengesetzt (Carices und Juncaceae) und darin finden sich überall viele liebe alte Bekannte zerstreut: Veilchen, Glockenblumen, Ranunkeln, Maiblümchen, Baldrian, Hornkraut, Knöterich, Brombeeren, Fingerhut u. s. w. Aber daneben und dazwischen entdecken wir auch viele eigenthümliche Blumen, die uns ganz fremd sind, so z. B. prachvolle große Balsaminen von höchst origineller Blüthenform, phantastische bunte Orchideen, scabiosenähnlichen Restiaceen, große violette Gentianen mit gelben Staubfäden (Exacum), besonders aber hohe Lobelien mit rothen, mehrere Fuß langen Blüthentrauben. Folgen wir dem Laufe der Bäche aber aufwärts und dringen in die schattigen Schluchten ein, so entdecken wir sofort einige tropische Charakterpflanzen, die unsere europäischen Illusionen zerstören: vor Allen die herrlichen Farnbäume (Alsophila), die mächtigen Schirmfarne (Angiopteries) die merkwürdigen Nillustauden (Strobilanthus) und die prachtvollen baumartigen Alpenrosen (Rhododendron arboreum): letztere 20-30 Fuß hohe knorrige Bäume, deren Aeste die schönsten Riesenbouquets von blutrothen großen Blüthen tragen. Noch größere Verschiedenheiten zeigt der Wald, der mit seinen dichten, dunkelgrünen Laubmassen aus der Entfernung fast wie Nadelwald aussieht. Er setzt sich aus sehr vielen Baumarten zusammen, die größtentheils zu den Familien der Myrten, Lorberen, Haidekräuter, Guttabäume und Magnoliaceen gehören. Obwohl die zahlreichen Species dieser Bäume nach Blüthenbau und Frucht zu ganz verschiedenen Familien gehören, sehen sie sich doch affallend ähnlich im äußeren Habitus und Wachsthume. Die lederartigen Blätter sind dunkelgrün oder braungrün, unten oft filzig. Der säulenförmige gerade Stamm gleicht oft ganz den südeuropäischen Pinien und geht oben in zahlreiche Gabeläste aus, die eine breite, flache Schrimkrone tragen. Auffallend pinienähnlich sind namentlich die hohen Guttabäume (Calophyllum), von denen zahlreiche Prachtexemplare Stämme von 80-90 Fuß Höhe und 10- 12 Fuß Dicke bilden, ausgezeichnet durch die spirale Drehung ihrer Borkenrinde. Sehr groß ist auch in diesen Wäldern des kühlen Hochlandes, ebenso wie in denjenigen des heißen Tieflandes, die Menge und Mannigfaltigkeit der Schmarotzer, der Kletter- und Schlingpflanzen; nur sind es hier größtentheils andere Arten und Gattungen als dort. Außerdem kommen aber hier dazu noch dichte Mäntel von Laufmoosen an den Baumstämmen. Viele Wälder in der nächsten Umgebung von Nurellia sind jetzt zugänglich gemacht durch breite Promenadenwege oder wenigstens durch passable Fußpfade, und der civilisirte zahme Badegast, der hier Nachmittags gemächlich lustwandelt, kann sich dabei mit dem schauerlichen Gedanken kitzeln, daß Nachts an derselben Stelle, kaum eine Stunde von seiner Wohnung entfernt, wilde Elephanten seinen Weg gekreuzt, oder Leoparden ein wildes Schwein erlegt haben. Freilich ist die üppige Uebermacht der wilden Vegetation auch hier so groß, daß die Forstaufseher beständig mit der Axt nachhelfen müssen, um die Waldpfade leidlich gangbar zu erhalten. Die vier Tage, welche ich in Nurellia verweilte, verwendete ich dazu, um interessante Ausflüge nach allen vier Himmelsgegenden zu machen. Am 16. Februar bestieg ich den höchsten Berg der Insel, den östlich gelegenen  P e d r o -  T a l l a -  G a l l a  und feierte auf der Spitze desselben meinen achtundvierzigsten Geburtstag. Diese höchste Bergspitze von Ceylon erreicht 8200 Fuß Meereshöhe und liegt mithin nur 200o Fuß höher als das Plateau von Nurellia. Sie führt ihren Namen: „Matten-Gewebe-Berg" von den vielen Binsen, die auf ihrem wasserreichen Fuße wachsen und zum Weben von Matten verwendet werden. Es war ein prächtiger, sonniger Frühlingsmorgen, als ich in zwei Stunden von Nurellia hinaufstieg, nur von einem Tamil-Kuli begleitet, der mein Malzeug und den Proviant trug. Der enge Pfad führt anfangs ziemlich steil, später sanfter aufwärts; fast bis zur Spitze durch dichten Wald, mehrmals über rauschende Bergbäche und kleine Wasserfälle. Das Merkwürdigste, was ich beim Hinaufsteigen fand, war einer der großen, berühmten Regenwürmer des Hochlandes von Ceylon; sie sind die Riesen ihres Geschlechtes, fünf Fuß lang, zolldick und von schöner himmelblauer Farbe. Außerdem traf ich hier zum ersten Male den prächten Waldhahn des Gebirges (Gallis Lafayetti), den ich später „am Ende der Welt" sehr häufig fand. Auch der große aschgraue Affe des Berglandes (Presbytis ursinus) zeigte sich, war aber so scheu, daß ich nicht zum Schusse kommen konnte. Die dichte, mit langen rothgelben Moospelze verbrämte Walddecke des Pedura geht fast bis zu dessen Gipfel hinauf. Eine eigentlich alpine, oder selbst subalpine Vegetation fehlt auf Ceylon. Die Schneelinie würde hier erst bei 14-15 Tausend Fuß beginnen. Die freie Aussicht von dem baumlosen Gipfel ist großartig und umfaßt den größten Theil der Insel, bis zum Meere hin, von dem westlich und östlich ein schmaler Silberstreifen sichtbar ist. Im Osten erhebt sich der schöne Namuna-Pik über den Thälern von Badula, während im Westen der Adams-Pik alle anderen Hohen überragt. Wie auf dem letzteren, so ist auch hier das imposante Panorama insofern einförmig, als der größte Theil desselben von dunkelgrünen, dichtbewaldeten Bergmassen eingenommen wird, durchzogen von den dünnen Silberfäden zahlreicher Bäche und Ströme, aber nur hier und da von kleinen Stücken heller grünen Culturlandes unterbrochen. Es ist mehr das Gefühl der Erhabenheit, welches inmitten dieser unendlichen Waldeinsamkeit das Gemüth umfängt, und die Vorstellung, eine der schönsten und rechsten Inseln der ganzen Welt von einem Punkte aus zu überschauen. Während am frühen Morgen die Rundsicht vom Pedura noch ganz rein und klar war, stiegen bald nachher zahlreiche Nebel aus den Thälern auf und ballten sich zu dichten Wolkenmassen. Ich folgte dem interessanten Spiele derselben mehrere Stunden, wie ich denn überhaupt kaum irgendwo in unseren Gebirgsländern so merkwürdige Wolkenstudien machen konnte, wie im Hochlande von Ceylon. Am 17. Februar, ebenfalls einem ausnehmend schönen Frühlingstage, wanderte ich von Nurellia auf guter Fahrstraße fünf Meilen südwärts, über die Brücke von Uda-Pussilawa nach dem südöstlichen Rande des Plateau´s. Ich bestieg hier einen Berggipfel, der eine prächtige Aussicht nach Süden auf Hakgalla gewährt. Dieser „Kieferberg" besitzt unter allen Bergen, die ich auf Ceylon gesehen habe, die schönste Form und gleicht druch die edle Composition seiner Massen und den feinen Schwung seiner Linien dem berühmten Monte-Pellegrino bei Palermo. Die waldigen, tief eingeschnittenen Schluchten dieser Gegend, in denen hohe Wasserfälle herabrauschen, zeichnen sich durch den Reichthum an prächtigen Baumfarnen aus. Den folgenden Tag machte ich von Nurellia aus nordwärts eine Excursion in die Gegend von Rambodde, auf der Hauptfahrstraße, welche von Kandy hier heraufführt. Der Weg steigt zunächst zwei Stunden aufwärts zur Höhe des Rambodde-Passes, ungefährt 7000 Fuß über dem Meere. Der Sattel dieser Paßhöhe gewährt einen prächtigen Doppelblick, südwärts auf den ganzen Thalkessel von Nurellia, im Hintergrunde der schön geformte Hakgalla, darunter der blanke Spiegel des Sees; nordwärts auf die waldigen Schluchten des Kotmallithales und darüber hinaus auf die weiten Hügelflächen des Pussilawa Districtes. Unter den vielen Berghäuptern des letzteren erhebt sich die Fahrstraße steil abwärts gegen Rambodde, und ich folgte ihr mehrere Meilen weit, bald der zahlreichen hübschen Wasserfälle mich erfreuend, die von beiden Seiten in den engen Thalboden herabstürzen, bald der üppigen Buschvegetation und besonders der schönen Baumfarne, welche die Bachufer säumen. Der herrliche Hochwald, der die Berglehnen hier noch vor wenigen Jahren bedeckte, ist jetzt fast allenthalben den Kaffeepflanzungen gewichten. Die Straße war besäet mit sehr zahlreichen Ochsenkarren, jeder mit vier starken, weißen Zebu bespannt, die Proviant und Luxusartikel nach Nurellia hinaufschleppten. Am 19. Februar benutzte ich den schimmernden Sonntagsmorgen, um in aller Frühe die Bergkette zu besteigen, welche die Weltseite des Nurellia-Beckens begrenzt. Ich hatte von der Höhe die schönste Aussicht auf den Adams-Pik und die zwischenliegenden Bergketten von Dimbula. Zu Mittag folgte ich der Einladung des Gouverneurs, welcher Tags zuvor mit seiner Gemahlin nach Nurellia gekommen war und in dem freundlichen, von einem hübschen Garten umgebenen „königlichen Landhaus", der „Queen´s Cottage", an der westlichen Thalseite residirte. Hier konnte ich einen auserlesenen Flor von Rosen, Veilchen, Nelken und anderen europäischen Gartenpflanzen bewundern, die in schönster Blüthe standen; auch üppige Kirschbäume und andere europäische Obstbäume. Sie bekommen hier reichen Blätter- und Blüthenschmuck, tragen aber niemals Früchte. Ich traf hier mit Dr. Trimen zusammen, der inzwischen alle Vorbereitungen für unsere Hochgebirgsreise vollendet hatte, und noch am selben Nachmittage traten wir unsere Tour „an das Ende der Welt" an. Wir fuhren jedoch für heute nur zwei Stunden weiter südwärts, bis  H a k g a l l a , wo die Fahrstraße und die menschliche Civilisation überhaupt aufhört. Hier befindet sich in 6000 Fuß Höhe, unmittelbar am südlichen Fuße der vorher erwähnten prächtigen Gebirgskuppe, ein botanischer Garten für tropische Gebirgspflanzen, eine Filiale des großen Peradenia- Gartens, und gleich diesem von Dr. Trimen dirigirt. Wir benutzen die Abendstunden, um denselben zu durchwandern und die Pflanzschulen zu mustern, sowie die prachtvollen Baumfarne und Pothospflanzen, von denen hier Riesenexemplare gezüchtet werden. Man genießt von den Terrassen dieses höchstgelegenen Gartens von Ceylon eine schöne Aussicht auf die stattliche Felspyramide des Namuna-Pik, der sich ostwärts über den Thälern von Badula isolirt erhebt. Wir übernachteten im Hause des schottischen Gärtners, dem äußersten Vorposten europäischer Cultur in diesem Theile des Hochlandes.


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