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Kapitel XIV

Kogalla und Boralu

Unter den weiteren Ausflügen, welche ich von Belligemma in dessen entferntere Umgebung unternahm, sind namentlich diejenigen von Kogalla und Boralu mir in der angenehmsten Erinnerung geblieben und wohl werth, daß ich ihrer hier kurz gedenke.  K o g a l l a -  W e w a , der „Felsen-See", zeichnet sich durch besondere Größe und Schönheit unter den vielen ausgedehnten Lagunen aus, welche zwischen Colombo und Matura sich längs der Südwestküste von Ceylon hinziehen und viele der hier mündenden Küstenflüsse in Verbindung setzen. Der See liegt halbwegs zwischen Punto-Galla und Belligemma, und erreicht eine beträchtliche Ausdehnung, da er viele Arme nach verschiedenen Seiten hin ausschickt. Die Ufer bilden allenthalben dicht bewaldete Hügel, über welchen die Kronen zahlloser Cocospalmen sich wiegen. Viele kleine Inseln, theils nackte Felsen, theils mit Palmenpflanzung oder Buschwald bedeckt, verleihen der mannigfaltigen Scenerie besonderen Reiz, ebenso wie die idyllischen Hütten der Singhalesen, die in großer Zahl, aber einzeln zerstreut, aus dem grünen Dickicht hervorschauen. Die Vegetation ist überall von einer Frische und Pracht, die nicht übertroffen werden kann. Es war ein herrlicher Sonntag-Morgen (am 18. December), als ich schon vor Sonnenaufgang von Belligemma aufbrach, um recht frühzeitig Kogalla zu erreichen. Mein lieber Gastfreund von Punto-Galla, Mr. Scott, mit dem ich dort zusammen treffen wollte, hatte mir schon Tags zuvor seinen leichten Einspänner mit dem munteren Pony und einen seiner Diener geschickt. Rasch rollten wir durch die idyllischen Dörfer an der Galla-Straße, deren Bewohner sich soeben von ihrem Lager erhoben und das übliche Morgenbad an der Straße verrichteten. Sobald die jungen Sonnenstrahlen den thaublinkenden Palmenwald durchdrangen, fing es darin an lebendig zu werden und ich genoß von Neuem dieses reizend frische Morgenleben der Tropen, das mich schon so oft entzückt hatte. Da ich eine Stunde früher, als verabredet war, an dem Ort unserer Zusammenkunft eintraf, hatte ich noch Zeit genug, den herrlichen Wald mit Muße zu durchstreifen. In Begleitung von Mr. Scott kam auch noch ein deutscher Landsmann mit, ein Hamburger, gegenwärtig in Singapore ansässiger Kaufmann, Herr Reimers. Er hatte zur Erholung einen Ausflug nach Ceylon und Bombay unternommen, und es traf sich recht hübsch, daß er noch am Tage vor seiner Rückreise uns Gesellschaft leisten konnte. Zu Dreien fuhren wir nch eine kurze Strecke durch Palmengärten und hielten dann vor einer Hütte am Ufer des Kogalla-Sees. Hier erwartete uns bereits ein Doppelcanoe, das die singhalesische Bemannung auf das Zierlichste mit Blumenguirlanden und Arcaden aus Cocosgeflecht decorirt hatte. Diese Doppelcanoes, die auf den Landseen sowohl als auf den größeren Flüssen von Ceylon sehr beliebt sind, bestehen aus zwei ausgehöhlten parallelen Baumstämmen von 16-20 Fuß Länge, die 4-6 Fuß auseinander stehen und durch Querbalken fest verbunden sind. Ueber Letztere sind Bretter gelegt. Rechts und Links erheben sich die schlanken Stämmchen von einem halben Dutzend junger Arecapalmen, die oben ein breites Schattendach aus Pandangmatten tragen. In den Zwischenräumen zwischen den Stämmchen bilden ausgespannte Blätter der Fächerpalme (Borassus) ein zierliches Gerüst. Die Bänke, welche in diesem schwimmenden Gartenhäuschen beiderseits stehen, gewähren den angenehmsten schattigen Sitz, von dem aus man frei nach allen Seiten sieht. Sechs oder acht kräftige Ruderer sitzen entweder in dem vorderen oder in dem hinteren Theil der hohlen Baumstämme, der beiderseits frei vorragt, ihren Platz. Der schmale Arm des Sees, von dem wir ausfuhren, öffnet sich in das weitere Hauptbecken durch ein Thor, welches durch drei mächtige nackte Felsblöcke halb gesperrt erscheint. Diese drei Granitblöcke heißen „die drei Brüder" (Tunamalaja) und sind der Lieblingsaufenthalt zahlreicher großer Krokodile, die sich hier mit weit aufgesperrtem Rachen sonnen. Kein Schwimmer wurde ungestraft zwischen diesen furchtbaren Thorwächtern hindurch kommen. Das Hauptbecken des Sees ist ringsum von dichten Waldmassen eingerahmt, über denen sich freundliche Hügel mit Palmen erheben. Einen besonderen Reiz desselben aber bilden die niedlichen Inseln, die zum großen Theil ebenfalls mit Cocospark geziert sind. Die edlen Palmen bilden gewöhnlich auf jeder socher kleinen Insel ein prachtvolles Riesenbouquet, da ihre gewaltigen Fiederkronen möglichst viel Licht und Sonne zu gewinnen trachten. Die schlanken und zierlich gebogenen weißen Stämme streben daher nach allen Richtungen auseinander, so daß die außen stehenden fast horizontal sich über den Wasserspiegel neigen, während die mittleren vertical zum blauen Himmel emporragen. Ein wahres Muster eines solchen war das reizende kleine Gan-Duwa, welches unmittelbar vor dem Rasthause von Belligemma die größte Zierde in dessen nächster Umgebung bildete. Wir landeten an einer solchen kleinen Cocosinsel, um der glücklichen Familie, die mitten im Palmenbouquet ihre einsame Hütte aufgeschlagen hatte, einen Besuch abzustatten. Drei kleine nackte Kinder, die munter zwischen den Felsen des Strandes mit Muscheln gespielt hatten, flohen bei unserer Annäherung erschreckt unter lautem Geschrei zu ihrer Mutter. Diese, ein hübsches junges Weib, mit einem vierten Kinde an der Brust, schien ebenfalls über den seltenen Besuch bestürzt und lief eilends mit ihren Kleinen zur Bambushütte. Hinter dieser trat jetzt ihr Mann herver, der eben im Garten süße Pataten ausgegraben hatte: ein kräftiger junger Singhalese, ganz nackt, und nur mit einem schmalen Schurz um die Hüften. Mit natürlichem Anstande begrüßte er uns und frug, ob er uns nicht mit einigen Curumba (jungen Cocosnüssen) erfrischen könnnte. Als wir diese Fragen dankend bejahten, kletterte er sofort auf einen der größten Stämme hinauf und warf uns ein halbes Dutzend der schönsten goldgelben Früchte herunter, von jener feinen Spielart, die hier „Königs- Cocosnuß" heißt. Der kühle limonadenartige Trank wirkte bei der brennenden Sonnenglut wunderbar erfrischend. Dann präsentirte er uns auf einem großem Caladiumblatt eine Traube von herrlcihen süßen Bananen, und führte uns in seinen kleinen Garten, in welchem eine Auswahl der edelsten Tropengewächse cultivirt war. Auf unsere Frage, ob diese zum Unterhalte seiner Familie für das ganze Jahr ausreiche, erwiderte er uns, daß er ausßerdem auch noch Fische und Krebse aus dem See fange; und daß er von diesen und von dem Ueberschuß der Früchte noch eine hübsche Summe Geldes einlöse, für welche er Reis kaufe und einiges Hausgeräthe für seine Familie; mehr aber habe er niemals nötig. Beneidenswerteh Familie! Auf Eurer kleinen Cocosinsel lebt Ihr wirklich im Paradiese, ,und kein feindlicher Nachbar stört Euch in Eurem stillen friedlichen Glücke! Wir ruderten nun noch weiter in den See hinaus und auf einen vorspringenden Felsen zu, über welchem die weiße Dagoba- Kuppel eines Buddhatempels aus dem dichten Gebüsch hervorragte. Eine steinerne Treppe führte durch letzteres zu dem Tempel hinauf, auf dessen Altar fromme Hände Jasmin und andere duftige Blumen geopfert hatten. Die rohe Malerei an den Tempelwänden und die große ruhende Buddhastatue in gelbem Gewande unterschied sich nicht von der gewöhnlichen Form. Die Wohnungen der Priester hinter dem Tempel lagen ganz idyllisch unter dem Schatten eines gewaltigen Boga und genossen den schönsten Blick auf den See; der senkrecht abfallende rothe Felsen bildete eine natürliche Terrasse. Ein paar große Kittupalmen (Caryota) sowie eine schöne Gruppe von Areca- und Talipot- Palmen dienten nicht minder zum Schmucke des anmuthigen Bildes, als die dichten Gehänge von Schlingpflanzen aller Art, die von den Kronen einiger mächtiger Kadschubäume (Anacardium) herabflossen. Es war glühend heiß geworden, als wir gegen Mittag zur Hütte des Häuptlings von Kogalla zurückruderten, und der unbewegliche Seespiegel warf die senkrechten Sonnenstrahlen wie eine polirte Metallplatte zurück. Wir wurden daher auf das Angenehmste durch die Kühle überrascht, die wir in dem dämmerigen Raume der dichtbeschatteten Hütte vorfanden; und das opulente Diner, welches der gütige Mr. Scott inzwischen durch seinen Diener hatte herrichten lassen, mundete uns unvergleichlich. Nach demselben unternahm ich, während meine Freunde eine Siesta hielten, noch allein eine Excursion nach der anderen Seite des Sees. Ich besuchte dort einen zweiten größeren Buddhatempel und sammelte einige von den prächtigen Erdorchideen und Gewürzlilien (Marantaceen), mit denen die Ufer hier geschmückt waren. Auch diese Seite des Sees bereicherte mein Skizzenbuch mit einigen reizenden Motiven. Leider mußte ich diesen Genuß wieder mit meinem Blute bezahlen, da die lästigen Blutegel im Grase des Seeufers überaus häufig waren. Nicht minder prächtig, wenn auch weniger großartig als dieser Felsensee, der „Kogalla-Wewa", war ein anderer See den ich von Belligemma aus mehrmals besuchte, der „K i e s e l s e e", B o r a l u -  W e w a. Ich verdanke die herrlichen Tage, die ich dort verlebte, dem zweiten Häuptling von Belligemma, dem trefflichen Aretschi. Derselbe besaß in der Nähe des Sees ein ausgedehntes Stück Feldland, das er theilweise mit verschiedenen Früchten, theilweise mit Limongras bepflanzt hatte, und auf welchem er 30-40 Arbeiter beschäftigte. Der Weg dahin führt von Belligemma nach Osten tief in des üppige Hügelland hinein, das sich viele Meilen weit bis zum Fuße des Gebirges erstreckt. Das erste Naturwunder, das man auf diesem Wege findet, ist einen gewaltige Cocospalme, eine Meile von Belligemma entfernt, deren Stamm oben gabelförmig in drei Aeste gespalten ist und somit drei Kronen trägt - eine sehr seltene Abnormität. Das zweite Wunder findet sich eine Meile weiter, am Polwattaflusse. Diesseits der Brücke, die über denselben führt, steht neben einem Buddhatempel ein prächtiger alter Banyanenbaum (F i c u s   i n d i c a) mit Lianen- Guirlanden phantastisch behangen; jenseits der Brücke aber, vor dem kleinen Dorfe Dena-Pitya (d. h. Rinderfeld) erhebt sich noch ein weit größerer Baum derselben Art, ein wahrer Riese seines Geschlechts, ja vielleicht einer der größten dieser Wunderbäume, die überhaupt existiren. Seine ungeheure Krone, unter der ein ganzes Dorf mit mehr als hundert Hütten Platz und Schatten finden würde, stützt sich auf zahlreiche starke Stämme, von denen jeder einzele für sich allein als mächtiger Baum Bewunderung verdient. Alle diese riesigen säulengleichen Stämme sind nichts als Luftwurzeln, herabgesenkt von horizontalen Seitenästen des mittleren Hauptstammes. Zwischen ihnen hängen viele kleine Luftwurzeln herab, welche noch nicht den Boden erreicht haben und die Entstehung des vielstämmigen Baumriesen erläutern. Tiefe Dämmerung herrscht beständig unter dem Schattendache der ungeheuren Krone, deren dichte Blättermassen keinen Lichtstrahl durchfallen lassen; es ist begreiflich, daß die buddhistischen Dorfbewohner nur mit scheuer Ehrfurcht sich dem heiligen Baume nahen. Ein Naturwunder ganz anderer Art besitzt das Dorf Dena-Pitya in einer Frau von ungefähr 50 Jahren, welcher die Oberschenkel vollständig fehlen. Der Oberkörper ist kräftig und wohlgebildet; er ruht aber unmittelbar auf den Unterschenkeln, die am Hüftgelenke eingefügt sind. Diese seltene Mißbildung ist um so merkwürdiger, als die Frau drei wohlgebildete Kinder besitzt, welche gleich der Mutter an jedem Fuße nur vier Zehen haben. Leider wurde eine nähere Untersuchung nicht gestattet. Wenn man die Straße von Dena-Pitya weiter ostwärts verfolgt, gelangt man nach ein paar Meilen zu einer der berühmten Edelsteingruben, die im vorigen Jahrhundert noch sehr ergibig gewesen sein sollen. Jetzt scheinen sie ziemlich erschöpft zu sein. Doch wurde während meiner Anwesenheit ein Diamant gefunden, den der glückliche Finder nachher für 400 Pfund (= 8000 M.) verkaufte. In Folge dessen strömten zahlreiche neue Arbeiter in diese „Gem-Pits". Als ich dieselben besuchte, waren etwa 160-180 Arbeiter in 30-40 tiefen Gruben mit Schlämmen und Sieben der Erde beschäftigt. Der Weg nach Boralu führt schon von Dena-Pitya ab, in nordöstlicher Richtung; bald durch den schönsten Palmenwald, bald durch üppiges Djungle, bald über hellgrüne Paddyfelder oder über Sumpfwiesen, auf denen schwarze Büffel im Schlamme liegen, bedeckt mit zierlichen weißen Reihern. Nach einigen Meilen kommt man an den reizenden Boralusee, dessen Ufer der Weg theils in weiten Bogen umzieht, theils unmittelbar verfolgt. Die Ufer sind ringsum mit der üppigsten Vegetation geschmückt; dahinter erheben sich allenthalben dicht bewaldete Hügel. Eine kleine Insel, ebenfalls völlig mit Wald bedeckt, liegt einsam mitten im See. Die mannigfachen Landzungen, die vom Ufer in den See vorspringen, verleihen ihm besondere Anmuth. Sein größter Reiz aber liegt in der vollkommenen Waldeinsamkeit und in der Abwesenheit aller menschlichen Cultur. Selbst der Fahrweg am Ufer verräth letztere nicht, da er ganz von hohem Gebüsch eingeschlossen wird. Sowohl der See selbst, als seine Umgebung ist reich an Thieren. So oft ich ihn besuchte, traf ich am Ufer gesonnt die großen grünen Rieseneidechsen von 6-7 Fuß Fuß Länge (Hydrosaurus salvator). Einmal wurde ich auch durch eine Riesenschlange von ungefähr 20 Fuß Länge überrascht (Python molurus). Leider flüchtete das Ungeheuer sofort vom Felsen herabgleitend in das Wasser, ehe ich noch mein Gewehr darauf richten konnte. Um so interessanter war die Jagd auf Affen, deren grunzende Stimme man überall hört. Sowohl von dem gelbbraunen „Rilawa" (Macacus sinicus), als von dem großen schwarzen „Wanderu" (Presbytis cephalopteris) schoß ich hier mehrere schöne Exemplare. Am ergibigsten war jedoch die Jagd auf Schwimmvögel; besonders verschiedene Arten von Wasserhühnern, Reihern, Ibis, Flamingos, Pelekane u. s. w. Diese kamen abends bei Sonnenuntergang in großen Schwärmen über den See geflogen, um ihre Nachtquartiere aufzusuchen; ich erlegte einmal in einer Viertelstunde ein halbes Dutzend. Auch das Ufergebüsch, mit den prächtigen goldgelben Blüthenkolben der Cassia und den purpurnen Rosen der Melastoma üppig geschmückt, ist reich an kleineren Vögeln. Nicht weit von dem nördlichen Ende des Sees entfernt, durch ein paar bewaldete Hügel getrennt, liegt der Waldgarten des Aretschi, ein ganz reizender Ort, an dem ich vier Tage zubrachte. Die einfache Rohrhütte, in der ich mich aufhielt, ist von der üppigsten Bananenpflanzung versteckt und liegt am Abhange eines steilen Hügels, der die herrlichste Aussicht über die grünen Wiesen, die dunkeln Waldmassen und die blauen Gewässer der umgebenden Hügellandschaft gewährt; den entfernten Hintergrund der letzteren bilden die blauen Gebirgsketten des Hochlandes. Von den einzelnen Hütten der Waldbewohner, die allenthalben zerstreut liegen, ist Nichts zu sehen, und der berauschende Eindruck der absoluten Waldeinsamkeit wird dadurch noch gesteigert, daß das Thierleben des Waldes in dieser abgelegenen Gegend sehr reich entwickelt ist. Ich schoß hier zahlreiche schöne Vögel, Affen, Flederfüchse, Rieseneidechsen u. s. w., einmal auch ein großes Stachelschwein von mehr als 3 Fuß Länge (Hystrix leucura). Auch an prächtigen Schmetterlingen und Käfern war kein Mangel. Die sumpfigen Wiesenflecken in der Nähe des Sees sind oft ganz bedeckt mit Riesenexemplaren der merkwürdigen insectenfressenden Kannenpflanze (Nepenthes distillatoria). Die zierlichen, 6 Zoll langen Kannen, die an den Enden der Blätter hängen und durch einen niedlichen Deckel geschlossen werden, fand ich oft mit zahlreichen gefangenen Insecten gefüllt. Glänzende Prachtvögel (Ampelidae) und reizende Honigvögel (Nectariniae) spielen gleich den ähnlichen Colibris in Menge um die Blumenkelche. Den Wald selbst fand ich in keinem von mir besuchten Theile des Tieflandes von Ceylon so prachtvoll, großartig und mannigfaltig entwickelt, wie in der Umgegend von  B o r a l u . Eine Wanderung rings im den blanken Kieselsee führt durch den schönsten Theil desselben. An einigen Stellen bildet der Urwald ein so undurchdringliches Gewirr von Schlingpflanzen, welche die modernden, übereinander gehäuften Riesenstämme umschlingen und umspinnen, daß man selbst mit Hilfe der Axt keinen Schritt weit in dieses vegetabilische Chaos vordringen kann. Aristolochien, Piperaceen, wilde Wein- und Pfefferreben, Bauhinien und Bignonien schlingen sich überal zwischen dem Astwerke der Bäume so durcheinander, daß nur einzelne gebrochene Lichtstrahlen zwischen ihnen zum Boden gelangen. Die Stämme selbst sind mit parasitischen Farnen, Orchideen u. s. w. dicht bedeckt. Ich saß hier oft glückliche Stunden lang ganz allein mit meinem Skizzenbuche, in der Absicht, eins dieser Waldbilder zu fixiren; gewöhnlich aber kam ich zu keinem Resultate, weil ich nicht wußte, wo ich anfangen sollte; oder wenn ich angefangen hatte, nicht wie ich diese Zauberpracht annähernd wiedergeben sollte. Auch die photographische Camera half hier nicht. Denn die grünen Massen der verschlungenen und umsponnenen Baumgeflechte sind so undurchdringlich, daß sie in der Photographie nur ein unauflösliches Wirrwarr von Aesten, Luftwurzeln, Blattmassen u. s. w. zeigen, während ihr unmittelbarer Anblick das Auge unendlich erfreut. Auf den abgerundeten Hügeln, die unmittelbar seinen Garten umgeben, hatte der Aretschi Limongras cultivirt, ein sehr trockenes Grad, aus dem er durch einfache Destillation das duftende Limonöl gewann, ein sehr geschätztes Parfüm. Der citronenartige Duft erfüllte die ganze Umgebung. Die Arbeiter, die mit der Destillation und mit der Besorgung der schönen Bananenpflanzung beschäftigt waren, wohnten in einem Dutzend zerstreuter Hütten, di ein tiefem Waldschatten, unter dem schützenden Dache mächtiger Brodfrucht- und Jackbäume ganz idyllisch gelegen sind; Gruppen von schlanken Areca- und Cocospalmen, hier und da auch Kittul- und Talipotpalmen, deren Fiederkronen hoch über die Laubmasse des Waldes sich erheben, verrathen die Lage der ganz versteckten Bambushütten. Die Besuche in den letzteren und der Verkehr mit ihren harmlosen Bewohnern lehrte mich die glückliche Existenz dieser einfachen guten und genügsamen Naturmenschen beinahe beneiden. Alle waren reine Singhalesen, von schön zimmtbrauner Hautfarbe und zartem Gliederbau; die Kleidung beschränkte sich auf einen schmalen weißen Lendenschurz. Die munteren hübschen Knaben waren mit beim Sammeln der Pflanzen und Insecten eifrig behilflich, während die schwarzäugigen zierlichen Mädchen Blumenkränze flochten und meinen kleinen Ochsenkarren mit den schönsten Guirlanden schmückten. Wurde dann spät abends der schnellfüßige Laufochse eingespannt und setzte sich der zweirädrige Karren, in dem ich neben dem Aretschi kaum Platz hatte, in rasche Bewegung, so machte es den munteren Kindern besonderes Vergnügen, uns noch eine Strecke weit zu begleiten. Während wir an den reizenden Ufern des Boralusees hinrollten, folgte oft ein Schwarm von 20-30 dieser anmuthigen Gestalten, unermüdlich, laut rufend und Palmenblätter schwingend. Ich konnte die Ausdauer und Schnelligkeit ihres Laufes nicht genug bewundern. Traten wir dann in den dunkeln Wald ein, so zündeten die Knaben Palmfackeln an, mit denen sie dem Wagen vorausliefen und den Weg erleuchteten. Bei einer plötzlichen Biegung des Weges wurden wir bisweilen von einem duftenden Blumenregen überschüttet, und ein helles Kichern aus dem dichten Gebüsche verrieth uns die Neckerei der kleinen Dryaden, die sich dahinter versteckt hatten. Unter den letzteren war ein Mädchen von ungefähr 16 Jahren, eine Nichte des Aretschi, deren vollendet schöne Körperform jedem Bildhauer hätte als Modell dienen können. Von dem Knaben konnten mehrere mit Ganymed an Schönheit wetteifern. Einer von diesen schwang sich immer während des Fahrens auf die Deichsel des Karrens und sprang dann gewandt über den Zebu hinweg. Mit diesen und anderen Spielen begleiteten uns die munteren Kinder noch eine lange Strecke, bis eins nach dem anderen im Dunkel der Nacht verschwand. An die Stelle der Fackeln treten jetzt unzählige prachtvolle Leuchtkäfer und Feuerfliegen; der herrliche Palmenwald erschien vollständig illuminirt, während ich mit dem Aretschi, voll der angenehmsten Erinnerungen, dem stillen Rasthause von Belligemma zueilte.


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