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Kapitel XIII

Basamuna und Mirissa

Die nächste Umgebung von Belligemma sowohl als auch die weitere Hügellandschaft, die sich daran anschließt, bietet eine Fülle der schönsten Bilder und zeigt den idyllischen und zugleich großartigen Tropencharakter von Südwest-Ceylon in seiner höchsten Vollendung. Die zahlreichen Excursionen, die ich nach verschiedenen Richtungen in dieselbe unternahm, meistens von Ganymedes und William begleitet, gehören zu meinen liebsten Reiseerinnerungen. Der reizende Busen von Belligemma wiederholt in Lage, Größe und Form fast genau denjenigen von Punto-Galla; nur ist ersterer um 1/3 größer. Beide bilden nahezu einen Halbkreis, der nach Süden sich öffnet und an dessen Oeffnung sowohl östlich als westlich ein schützendes Vorgebirge vorspringt. Der Radius dieses Halbkreises beträgt bei Belligemma etwas mehr als eine Seemeile, bei Galla etwas weniger; der Mündungsdurchmesser dort 1 1/2, hier nur 1 Seemeile. Der westliche Vorsprung des Hafens, welche in Galla das Fort trägt, wird in Belligemma von der Basamuna-Spitze gebildet, einer äußerst malerischen Hügelgruppe, deren dunkelrothes Gestein mit den seltsamsten Pandanusgruppen geschmückt ist. Das östliche Vorgebirge hingegen, an beiden Orten höher und weiter vorspringend, trägt in Galla das Fort von Watering-Point, in Belligemma den schönen Wald von Mirissa. Die überraschende Aehnlichkeit zwischen den beiden prächtigen Meeresbuchten wird dadurch noch größer, daß ihr weißer Sandstrand größtentheils vom herrlichsten Cocospark überschattet wird und daß die rothen und braunen Felsen dazwischen mit grotesken Pandanusbüschen verziert sind. Hier und dort erheben sich in blauer Ferne darüber die Bergketten des Hochlandes, unter denen Hay-Cock und Adams-Pik als Landmarken am meisten vorspringen. Ja, diese Aehnlichkeit wiederholt sich in den wundervollen Korallenbildungen beider Hafenbecken. Wie die größten und reichsten Korallenbanke von Galla rings um das Fort sich finden, am Fuße des westlichen Vorgebirges, ebenso auch in Belligemma, rings um den Klippenfuß von Basamuna. Uebrigens sind die Korallenbänke des letzteren weniger ausgedehnt als die des ersteren und der Hafen ist tiefer und weniger klippenreich als dort. Es ist daher schwer zu begreifen, daß der prächtige Hafen von Belligemma nicht längst für die Schiffahrt größere Bedeutung gewonnen hat und daß nicht längst an der Stelle des armen und bescheidenen Fischerdorfes eine reiche und stolze Handelsstadt blüht. Hätte ich in Indien eine Colonie zu gründen, ich würde nirgends anders hingehen als nach Belligemma!  B a s a m u n a , das West-Cap von Belligemma, war mein bevorzugter Lieblingsspaziergang während meines dortigen Aufenthaltes. Wenn ich Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr meine zoologischen Arbeiten beendet und die Beute der marinen Morgenexpedition in den Weingeistgläsern sicher untergebracht hatte, packte ich rasch die Mikroskope und Instrumente in die Almeira und hing Ganymedes die Patrontasche und Botanisirtrommel um. William nahm das Gewehr und das Schmetterlingsnetz und sich selbst das Aquarellgeräth und Skizzenbuch. Die Basamunaklippe ist nur eine halbe Stunde vom Rasthause entfernt, welches am Südende des Dorfes, mitten an der Westseite der Belligamma-Bai liegt. Der nächste Weg dorthin führt längs des Strandes an einzelnen Fischerhütten vorbei und dann am Rande des Cocoswaldes hin. Das ewig wogende Meer hat hier das lehmige Ufer stark unterwühlt und bringt alljährlich eine Anzahl der edlen Cocosstämme zum Fall; ihre weißen Leichen ragen zum Theil aus dem Wasser hervor, während der braune Wurzelschopf, ausgehoben und rein abgespült, wie ein behaarter Kopf an ihrem Ende sitzt. Eine Menge bunter Strandkrabben (Ocypode) und Einsiedlerkrebse (Pagurus) beleben den Strand; letztere verbergen hier ihren weichen Hinterleib nicht wie gewöhnlich in dem Gehäuse einer Seeschnecke, sondern mit Vorliebe in dem stattlichen rothmündigen Hause der großen landbewohnenden Palmenschnecke (Helix haemastoma). Wenn die Ebbe sehr tief ist, kann man unten um den Felsenfuß des steilen West-Caps herumklettern, über die entblößten Korallenfelsen, auf denen oft viele interessante Seethiere, bunte Schnecken und Muscheln, stachelige Seeigel und Seesterne zurückgeblieben sind. Bei Hochwasser muß man aber hinter dem Cap herum durch den Palmenwald gehen, in dem allenthalben einzelne Hütten mit Brodfruchtbäumen und Bananenschmuck zerstreut liegen. Ganz überraschend ist dann der Anblick, wenn man plötzlich aus dem Cocoshain heraustritt und inmitten der tieffsten Einsamkeit die dunkelrothen Porphyrfelsen von Basamuna vor sich sieht, wild zerklüftete Klippen, an deren Fuß die tobende Brandung emporspritzt. Ihr Rücken ist fast ganz mit Schraubenpalmen oder Pandangs bedeckt, von so phantastischen Formen und so grotesker Gruppirung, wie sie nur die wildeste Phantasie eines Gustav Doré ausdenken könnte. Gleich gewaltigen Riesenschlangen winden sich die verbogenen cylindrischen Stämme durch einander, unten auf zahlreiche, lange und dünne Luftwurzeln, wie auf Stelzen sich stützend, oben armleuchterartig verzweigt, ihre sparrigen Aeste gleich drohenden Armen gen Himmel streckend, am Ende jedes Armes ein schraubenförmig gewundener Blätterschopf. Beim Vollmondscheine gewährt diese gespensterhafte Gesellschaft einen ganz tollen Anblick und es ist begreiflich, daß die abergläubischen Singhalesen nicht zu bewegen sind, sich bei Nacht hineinzuwagen. Ich muß bekennen, daß mir selbst, trotz Doppelflinte und Revolver, ganz unheimlich zu Muthe wurde, als ich einmal bei Vollmond zwischen 10 und 11 Uhr ganz allein in diesem hexenmäßigen Pandanusdickicht herumkletterte; um so mehr, als der treue Ganymed vorher mit den rührendsten Blicken mich gebeten hatte, davon abzusehen. Ein scharfer Westwind warf den silbernen Schaum der Brandung mit Donnergetöse an den schwarzen Klippen haushoch empor, während er oben ein ganzes Heer von gethürmten Haufwolken mit fliegender Eile über das dunkle Firmament jagte. Der rasche Wechsel der schwarzen Wolkenschatten und des zauberhaften Vollmondglanzes gab auf den schimmernden Blätterköpfen und dem verschlungenen Stammgewirr Effecte, wie man sie unheimlicher sich nicht denken kann. Wenn man sich durch das Pandanusdickicht von Basamuna gearbeitet hat und auf die frei vorspringende Felsenspitze hinaustritt, erblickt man zur Linken den Eingang in die Belligemma-Bai, im Süden fern gegenüber die Cocospalmen der Mirissaspitze; zur Rechten hingegen eine fein geschwungene Ausbuchtung des Strandes, der dicht mit Cocospalmen gesäumt ist; und über dem letzten nördlichen Vorsprung desselben eine allerliebste Insel, mit Gebüsch bewachsen. Von dem Dorfe, von dem uns bewaldete Hügel trennen, ist hinten im Rücken (ostwärts) Nichts zu sehen, und keine Spur menschlicher Existenz stört den Eindruck der absoluten Einsamkeit, der diese zauberhafte Meereswarte umwebt. Frei und ungehemmt fliegt der Blick hier über den unermeßlichen blauen Spiegel des indischen Oceans und würde erst 30 Längengrade weiter westwärts wieder auf Land stoßen, auf ein Land, das in jeder Beziehung das Widerspiel unserer üppigen Umgebung ist, auf die trockene und pflanzenlose Sandküste der abyssinischen Somali-Neger. Unsere Gedanken aber fliegen noch viel weiter nach Nordwesten; denn die strahlende Sonne sinkt immer tiefer gegen den violetten Meereshorizont, und es naht die bezaubernde Abendstunde; „die hehre Stunde, da mit stillem Sehnen der ferne Schiffer an die theure Heimath denkt". Heimwärts fliegen unsere Gedanken zu dem lieben Thüringen und zu all den treuen Herzen, die jetzt vielleicht im traulichen Zimmer um die Lampe sitzen und am wärmenden Ofen von dem fernen Indienfahrer sprechen, während tiefer Schnee draußen Berg und Thal in weißen Mantel hüllt. Welcher Gegensatz zu unserer Umgebung! Die rothglühende Sonnenkugel sinkt jetzt wirklich in den Ocean und taucht die rothen Felsen, auf denen wir sitzen, in ein wahres Flammenmeer. Wie zart und luftig erscheinen darüber die rosigen Abendwolken und wie prachtvoll der vergoldete Strand mit seinem Palmensaum! Aber kaum finden wir Zeit, das reizende Farbenspiel in raschen Wechsel seiner Thöne zu verfolgen, so ist es auch schon vorbei, und die kurze Abenddämmerung eilt mit solcher Schnelligkeit vorüber, daß es schon ganz dunkel ist, ehe wir durch den Palmenwald vorsichtig tastend unseren Rückweg zum Rasthaus suchen. Aehnliche und doch verschiedene Reize als Basamuna besitzt das gegenüberliegende Ostcap der Belligemma-Bai, das herrliche  M i r i s s a . Um dieses im Segelboot zu erreichen, braucht man bei günstigem Winde vom Rasthause kaum eine Viertelstunde; hingegen mehrere Stunden, wenn man zu Fuß längs des Strandes die ganze Bucht umkreist; man muß dann auch die Mündung des Polwattaflusses überschreiten, der an der Nordostecke der Bai in dieselbe mündet. Es war ein wundervoller frischer Morgen, als ich (am 6. Januar) zum ersten Male mich nach Mirissa übersetzen ließ, ausgerüstet mit Proviant für den ganzen Tag, weil ich von dort aus mehrere Excursionen unternehmen wollte. Das kleine Fischerdorf Mirissa, das „Muscheldorf", welches unmittelbar am Fuße des gleichnamigen Vorgebirges liegt, hat seinen Namen von den zahlreichen Muscheln (sowohl Miesmuscheln als echten Austern) erhalten, welche die Felsen seines Strandes bedecken. Ein großer Zug von sardellenartigen Fischen beschäftigte gerade die Bewohner, als wir uns dem Dorfe näherten; alle disponiblen Canoes waren längs des Zuges vertheilt und Jung und Alt eifrigst beschäftigt, mit kleinen Handnetzen so viel davon zu erbeuten als möglich. Wir umschifften das malerische Cap, an dessen mächtigen braunen Quaderblöcken sich eine wilde Brandung bricht, segelten noch eine Meile weiter und landeten auf der anderen Seite des Caps in einer kleinen geschützten Bucht. Dann kletterte ich mit Ganymed auf die Höhe des Vorgebirges, den frei vorspringenden „Mirissa-Point", und durchstrich den schönen Wald, der außen mit Pandanusbüschen gesäumt ist und dessen stattliche Bäume (meist Cedrelen und Terminalien) mit prächtigen Guirlanden von Schlingpflanzen behangen sind. Zahlreiche Affen und Papageien belebten dieselben, waren jedoch sehr scheu und ließen mich nicht zum Schuß kommen. Als wir gegen Mittag an den Strand zurückkehrten, bemerkten wir in der Nähe unseres Bootes eine Gruppe von Eingeborenen; der stattliche, an ihrer Spitze befindliche Häuptling, ein hübscher Mann von etwa 40 Jahren, mit sehr sanfter und einnehmender Miene, näherte sich mir in ehrerbietiger Weise und überreichte mir ein hübsches Fruchtkörbchen, mit Mango, Ananas, Orangen und anderen edlen Früchten seines Gartens gefüllt, und mit duftigen Jasmin-, Plumiera- und Oleanderblüthen rings verziert. Mit ebenso freundlichen als bescheidenen Worten bat er mich, das Mittagsmahl, welches ich eigentlich am Strande im Cocosschatten hatte verzehren wollen, in seiner Hütte einzunehmen. Nachdem ich dankend angenommen, schickte er einige seiner Leute voraus, um noch Vorbereitungen zu treffen, während ich William und zwei meiner Bootsleute anwies, ihm mit dem Korbe, der unsere kalte Küche enthielt, zu folgen. Ich selbst erquickte mich inzwischen an einem herrlichen Seebade. Nach Verlauf einer Stunde erschien der Häuptling wieder, gefolgt von einer Schar allerliebster Kinder, die mit Blumen geschückt waren. Auf einem gewundenen Pfade durch Cocoswald führte er mich in einen Theil des Dorfes, der von letzterem rings umschlossen ist und den ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Durch einen niedlichen Garten, dessen Weg mit Blumen bestreut war, gelangten wir zu der stattlichen Hütte des Häuptlings, ganz aus Bambusrohr gebaut und mit Palmenblättern verziert. Unter dem breiten Rohrdache, welches vor der Hütte eine schattige Veranda bildete, war aus Palmstämmen und Brettern ein großer Tisch improvisirt und mit den schönsten frischgrünen Bananenblättern bedeckt. Das mitgenommene Mittagbrod war darauf servirt, außerdem aber auch eine große Schüssel voll Reis und Cörry, sodann frische Austern, süße Bananen und Cocosnüsse, das gütige Gastgeschenk unseres braunen Wirthes. Der herrliche Appetit, mit dem ich dieselben verzehrte, durch die vorhergehende heiße Wanderung und das folgende Seebad geschärft, wurde dadruch nicht beeinträchtigt, daß die ganze zahlreiche Familie des Häuptlings den Tisch umstand und mit größter Aufmerksamkeit jede meiner Bewegungen verfolgte, während außerhalb des Gartens die braunen Dorfbewohner versammelt standen und aus der Entfernung zuschauten. Nach Vollendung dieses originellen Mahles, das mir wie Nektar und Ambrosia schmeckte, bat mich mein freundlicher Wirth, meinen Namen und den meines Vaterlandes auf ein Palmenblatt zu schreiben, das er über der Thür seiner Hütte befestigt hatte. Sodann stellte er mir seine ganze Familie vor, nicht weniger als 16 Kinder (9 Knaben und 7 Mädchen), eins immer hübscher als das andere. Nur die älteren, etwa von 12 Jahren an, waren halb bekleidet, während bei den jüngeren ein um die Hüften geschlungener Bindfaden, an dem vorn in der Mitte eine Silbermünze hing, die Kleidung symbolisch andeutete. Arme und Beine waren mit silbernen Ringen geschmückt. Da hatte ich denn die schönste Entwickelungsgeschichte der singhalesischen Körperform in einer Reihe vollendeter Typen vor Augen, um so interessanter, als gerade dieser Theil der Küstenbevölkerung wegen seines reinen Singhalesenblutes berühmt ist und in der That wohl sehr wenig fremde Beimischung enthält. Die zierliche und bei den älteren Mädchen ungewöhnlich üppige Körperform, mit auffallend kleinen Händen und Füßen, mochte wohl den größten Theil der zweiundreißig Eigenschaften aufweisen, welche nach den singhalesischen Dichtern zur Schönheit erforderlich sind, vor Allen das lange schwarzlockige Haar, die mandelförmigen Augen, schwellenden Lippen, Busen gleich der jungen Cocosnuß u. s. w. Die Hautfarbe war zimmtbraun in verschiedenen Abstufungen, bei den kleinen Kindern heller. Die glückliche Mutter dieser sechzehn hübschen Kinder (eine freundliche dicke Matrone von 40 Jahren) war offenbar nicht wenig erbaut, als ich ihr durch William meine ästhetische Befriedigung über ihr Familienglück aussprechen ließ. Nachmittags ließ ich mich von dem Häuptling und seinen älteren Söhnen nach einer kleinen, etwa eine Stunde entfernten Buddha-Kapelle führen, neben der ein sehr alter heiliger Feigenbaum oder „Boga" (F i c u s   r e l i g i o s a) stehen sollte. Ich fand in der That ein Prachtexemplar, neben dem die anderen alten Bäume des Waldes wie schlanke Jünglinge aussahen. Sein mächtiger Riesenleib ging oben in zwei gewaltige Arme auseinander, von deren Schultern ganze Büsche langer Lianen, gleich einem prächtigen grünen Mantel herabhingen. Andere dichtverschlungene Kletterpflanzen bedeckten das Wurzelwerk des mächtigen Fußes; die weiße Kuppel einer Dagoba und die benachbarte kleine Buddha-Capelle nahmen sich daneben ganz winzig, wie Zwerghütten aus. Der Boden rings umher war mit den schönsten Pothospflanzen geschmückt, unter denen der sonderbare Amorphophallus sich durch seine hohen rothen Fruchkolben und mächtigen fiederspaltigen Blattwedel auszeichnete. Es wurde später Nachmittag, ehe ich zum Dorfe zurückkehrte. Hier fanden wir vor der Hütte des Häuptlings wieder Cocosmilch und Bananen zu unserer Erfrischung bereit. Die ganze Bevölkerung gab uns das Geleite, als wir zum Boote an den Strand hinabgingen. Der Abschied von unseren gütigen Wirthen, welche die liebenswürdigsten Seiten des singhalesischen Volkscharakters in ihrem vollen Lichte gezeigt hatten, wurde mir ordentlich schwer; und ich bedauerte, nicht einige Neu- Ruppiner Bilderbogen bei mir zu haben, um meiner Dankbarkeit vollen Ausdruck geben zu können. In deren Ermangelung schenkte ich meinem freundlichen Wirthe mein Taschenmesser und eines von den großen Gläsern, die ich zum Fangen der Seethiere mitgebracht hatte. Kurz vor Sonnenuntergang umschifften wir wieder das Mirissa-Cap und wurden hier am Eingange der Belligemma-Bai von einem Anblick überrascht, den ich nie vergessen werde. An dem östlichen Ufer derselben, oberhalb von Mirissa, springt basteiartig eine Reihe von senkrecht abfallenden, schön geformten, hohen Felsen hervor, deren rothe Farbe schon bei gewöhnlichem Tageslichte mit derjenigen frisch gebrannter Ziegelsteine wetteifert. Von ihnen rührt jedenfalls der Ortsname der Bucht her, die „Red-Bay" der alteren Karten. Jetzt im Lichte der untergehenden Sonne leuchteten sie wie glühende Kohlen, während ihre Schlagschatten in reinem Kobaltblau prangten. Ich begriff, warum die Mirissa-Leute sie „R a t u - P a n a" nannten, die „rothen Lampen". Der östliche Himmel über diesen Feuerfelsen war blaßgrün, während eine Reihe von geballten Haufwolken in den zartesten Rosen- und Aurorafarben schimmerten. Dazu nun eine warme braungrüne Färbung des Cocos- und Pandanuswaldes, die tiefsten dunkelgrünen und violetten Töne auf der spiegelnden Wasserfläche - das Alles gab ein tropisches Farbenconcert ersten Ranges, wie ich es nie vorher gesehen habe und auch nie wieder sehen werde. Eine Farbenskizze, die ich davon an Ort und Stelle im Boote entwarf, kann nur als bloßer Anhalt der Erinnerung dienen. Und doch, was würden die Kritiker der Berliner Kunstausstellung dazu sagen? Jene weisen Leute, die alle effectvollen Landschaften verurtheilen, sobald deren Farbenkraft und Formenfülle nicht mehr dem dürftigen Maßstabe unseres armen Norddeutschland entspricht! Haben sie doch einstimmig das prachtvolle Bild von Ernst Körner verworfen, in welchem dieser kühne Landschafter eine Sonnenuntergang in Alexandrien ebenso glänzend als wahr darstellte! Und doch verhält sich der Letztere zu dem Zauberbilde von Mirissa, wie die dürftige Vegetation von Egypten zu der üppigen von Ceylon! Aber freilich, was an der Spree nicht blüht, das darf auch nicht in Indien existiren. Hat man doch vielfach die Farbeneffecte von Eduard Hildebrand „übertrieben" genannt, obwohl sie viel eher zu schwach, als zu stark sind. Doch solche Zauberpracht der Natur muß man gesehen haben, um sie zu glauben!


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