Berg- und Seefahrten (1923)

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gewölbte Gneiskuppe von wenig auffallender Form und tritt neben seinen gleichgestalteten Nachbarn wenig hervor. Im Gegensatze dazu macht sich der schlanke Kegel des Adams-Pik um so mehr geltend, als seine flachgewölbten Nachbarkuppen niedriger sind. Er krönt gewissermaßen als südwestlicher Eckturm die steile Gebirgsmauer des Hochlandes, das als zusammenhängende Urgebirgsfeste in der Südhälfte der Insel emporsteigt. Weithin ist daher der Pik auch bei klaren Wetter sichtbar und bildet auf viele Meilen Entfernung die ersehnte Landmarke, welche dem Seefahrer die Nähe der immergrünen Wunderinsel ankündigt. Häufig ist sein isoliertes Haupt mit einer einzelnen Wolke, wie mit einem Hute bedeckt, und dann erinnert er an einen Vulkan mit seiner Rauchsäule, an den Vesuv mit seiner Pinienwolke.

Hervorragende Berggipfel, welche in ähnlicher Weise, bald mehr durch isolierte Lage, bald mehr durch auffallende Gestalt sich bemerkbar machen, sind in vielen verschiedenen Ländern seit altersgrauer Vorzeit Gegenstand phantasiereicher Dichtung und abergläubischer Verehrung geworden. Oft haben auch besondere, an solche isolierte Bergspitzen geknüpfte Naturerscheinungen, oder die mit ihrer Ersteigung verknüpften Gefahren Veranlassung gegeben, sie mit einem Gewande von geheimnisvollen Sagen oder religiösen Mythen zu schmücken. Wir brauchen bloß an unseren Brocken im Harze, oder an die Schneekoppe im schlesischen Riesengebirge zu denken. In Neapel ist der feuerspeiende Vesuv, in Sizilien der gewaltige Ätna, in Griechenland der heilige Götterberg Olympus, in Arabien der einsame Sinai der Mittelpunkt eines solchen Sagenkreises geworden. Kein Wunder, daß bei dem phantasiereichen Volke der alten Inder, inmitten der großartigen Pracht der Tropenatur, der imposante Pik von Ceylon frühzeitig eine ähnliche Bedeutung gewann.

In denalten einheimischen Annalen der Singhalesen, in dem berühmten Geschichtswerk des Mahavanso, tritt der Adams-Pik schon vor mehr als zwei Jahrtausenden auf, und zwar als Samanala, oder Samanto-Kuta, als die Burg des Wächtergottes Saman. Zuerst wird er erwähnt in der Legende des frommen Heldenkönigs Dutu Gameni, 150 Jahre vor Christi Geburt. Die Priester, welche dessen Sterbebett umstehen, preisen seine vielen guten Werke; sie erzählen das Wunder vom Reiskorn, welches der gute König als Almosen verteilt hatte und welches von den Priestern auf dem Gipfel des Wächterberges noch unter 900 andere Priester verteilt werden konnte.

Die Burg des Wächtergottes gilt in dieser uralten Sage bereits als berühmtes Heiligtum, und dies gestattet den Schluß auf ein noch viel höheres Alter des betreffenden Kultus. In der Tat spielt derselbe bereits in den ältesten Legenden des Buddhismus eine Rolle, wie die schöne Insel selbst in dieser mächtigsten Religion des Ostens. Als Buddha inmitten eines furchtbaren Gewittersturmes herniederfährt, betritt er die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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