Berg- und Seefahrten (1923)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]
die Frage: Soll eins der schönsten, von der Natur am reichsten gesegneten Länder Europas, dessen Umfang denjenigen des vereinigten Königreiches Großbritannien übertrifft, ewig dazu verdammt sein, unter der Herrschaft eines asiatischen, höherer Kultur unfähigen Volkes eine Wüste zu bleiben? Sollen ausgedehnte Landstrecken, die mit Seen und Flüssen, Wäldern und fruchtbaren Ebenen reichlich ausgestattet sind, nur der Wohnsitz unsteter Nomaden und indolenter Fatalisten sein? Während das übervölkerte Europa alljährlich Scharen fleißiger Auswanderer mit großen Opfern nach den entlegendsten Erdteilen sendet, bleibt eines der reichsten und fruchtbarsten Länder unseres eigenen Erdteils brach lieben und ernährt nicht den zehnten Teil der Bevölkerung, die es bei leidlichem Anbau unter einer zivilisierten Regierung zu ernähren vermöchte. Eine wahrhaft zivilisierte Regierung kann aber die hohe Pforte niemals werden. Denn mit den Glaubenssatzungen des Islam sind zahlreiche Vorstellungen und Einrichtungen verbunden, welche mit den Kulturbegriffen des heutigen Europa sich durchaus nicht vereinigen lassen. Wir erinnern nur an die niedere Sklavenstellung des Weibes, an die blinde Unterwerfung unter ein unabänderliches Schicksal, an die Verachtung jeder geistigen Arbeit und die Scheu vor der aktiven Arbeit überhaupt. Der Wert und die Bildung des Kulturlebens beruht aber auf der Arbeit!

Schließen wir daher mit dem Wunsche, daß das blutige Drama, dessen erster Akt sich soeben auf der Balkanhalbinsel abspielt, seine endlich definitive Lösung mit der der Befreiung derselben vom Joche des osmanischen Despotismus finden möge. Nicht das ist zu wünschen, daß der russische Doppeladler sich dieses ungehobenen Schatzes bemächtige und dem Panslavismus Vorschub leiste. Vielmehr ist zu hoffen, daß unter der Garantie der vereinigten europäischen Großmächte ein selbstständiges neugriechisches Reich entstehe, welches zahlreiche germanische und romanische Einwanderer aus dem Abendlande an sich zieht und damit die fehlenden Keime der höheren Kultur in sich aufnimmt. Dann erst wird dieser fruchtbare Boden beginnen, die reichen Ernsten zu reifen, zu denen ihn seine natürliche Beschaffenheit, wie die seltene Gunst des Klimas und der Lage nicht weniger berechtigt, als das benachbarte Italien. Dann erst wird die herrliche Balkanhalbinsel ein wirklicher Bestandteil Europas werden. Und wenn künftig der Wanderer von Korfu nach dem nahen Albanien in einer Stunde hinüber fährt, wird er nicht mehr in eine wilde Waldwüste, sondern in einen gesegneten Olivenhain treten, gleich demjenigen der Phäakeninsel!


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Bibliothek.
© Kurt Stueber, 2007. Dieses Buch ist geschützt durch die GNU Free Document License. Diese Lizenz erlaubt private und kommerzielle Verwendungen unter den Bedingungen der GNU Free Dokument License. Bei Verwendung von Teilen/Abbildungen bitten wir um die Quellenangabe: www.BioLib.de