glänzende Tracht aus, meistens
schöne, hoch gewachsene Leute mit lang wallendem Haar. Der lange, bis auf den Gürtel herabfallende Bart und die hohe,
goldverzierte Tiara auf dem stolz getragenen Haupte verlieh ihnen eine gewisse Majestät. Der lange Talar, ganz mit
Goldstickerei geziert, glänzte in den lebhaftesten Farben, je nach der Parochie, verschieden. Ihre Zeremonien verrichten
sie mit edlem Umstande. Überhaupt machen die griechischen Popen einen vorteilhafteren Eindruck, als ihre römischen
Kollegen. Während die letzteren angeblich im Zölibat leben, sind die griechischen Popen (mit Ausnahme der Bischöfe und
Erzbischöfe) verheiratet und befleißigen sich eines anständigen Lebenswandels. Der Hokuspokus des Heiligendienstes
spekuliert freilich dort ebenso wie hier auf den Aberglauben der Menge!
Den glänzenden Mittelpunkt der Prozession bildete der Erzbischof, eine hohe und imposante Figur mit schönem Gesicht.
Er wird von den Frauen Korfus vergöttert, spricht auch unter anderem ein wenig Deutsch und ist sich seines persönlichen
Eindruckes wohl bewußt. Er verstand denselben sehr geschickt und kokett zu gebrauchen. Ein schwarm jüngerer, zum Teil
sehr hübscher Priester umgab ihn. Gleich hinter dem Erzbischof erschien der heilige Spiridion selbst, eine
eingetrocknete braune Mumie, aufrecht stehend in einem hohen, goldverzierten, einer Sänfte ähnlichen Kasten, von sechs
Priestern getragen. Durch die Fenster seines Gehäuses kannman den oberen Körperteil ganz gut sehen. Das grinsende braune
Gesicht starrt mit weit geöffnetem Munde vor und zeigt noch recht gut erhaltene weiße Zähne. Um einen noch größeren
Eindruck auf die andächtige Menge zu machen, ist der Kopf nur locker befestigt, so daß er bei stärkeren Bewegungen der
Tragbahre hin- und herwackelt. Alles drängt sich heram, um den allmächtigen Heiligen zu sehen und seiner segenbringenden
Nähe teilhaftig zu werden. Frauen wetteifern, um Wachstropfen von seinen träufelnsden Kerzen aufzufangen. Kleine
Kinder werden, um sie vor Krankheit zu schützen, ihm in den Weg gelegt, so daß der heilige Mumienkasten über sie
hinweggeht. Solche Spirokinder tragen dann ein ganzes Jahr lang ein schwarzes Kleidchen. Außerdem wird auch die Mumie
noch ein paar Tage lang in der Spiridionkirche ausgestellt, und bei halb geöffnetem Kasten ist es gestattet, ihr die
Füße zu küssen. Ich selbst wäre bei dieser Gelegenheit beinahe zum Spirokultus bekehrt worden, denn als ich, unter die
gläubige Menge gemischt, mein skeptisches Ketzerhaupt neugierig in den Glaskasten hineinsteckte, um womöglich durch
anatomische Autopsie noch etwas näheres über die wahre Beschaffenheit der Mumie zu ermitteln, schüttelte der Heilige
ungnädig das Haupt. Zum Glück bemerkte ich noch rechtzeitig, daß er in demselben Moment - zufällig oder absichtlich - einen
Stoß durch den neben dem Kasten aufgestellten Kirchendiener erhalten hatte!
Natürlich tut der heilige Spiridion diese und andere Wunder nicht umsonst, sondern alles wird mit klingender Münze
bezahlt! Der Spiro
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