Auf den unzugänglichen steilen Schluchten und den steinigen Berghalden von Korfu treffen wir dieselbe charakteristische Buschvegetation wie an der übrigen Mittelmeerküste: von den immergrünen Sträuchern vor allen Myrte und Pistazie, stachlichen, mit den schönsten gelben Blüten bedeckten Ginster und Goldregen. Eine besondere Zierde einzelner trockner Halden bildet die baumartige Haide, mit Tausenden kleienr, weißer Blütenglöckchen geziert (Erica arborea). Höher erheben sich aus dem Dickicht dieses immergrünen Buschwaldes der schlanke Lorbeer und der schöne Erdbeerbaum (Arbutus unedo). In der Frühlingsflora, die zur Zeit meiner Anwesenheit die Hügel und Rasenplätze schmückte, fiel mir besonders die Fülle schöner Orchideen auf. Von der merkwürdigen Insekten-Orchis (Ophrys), deren Blütenform sich auf das täuschendste derjenigen gewisser, ihre Befruchtung vermittelnder Insekten angepaßt hat, sammelte ich nicht weniger als sechs verschiedene Arten. Unter den übrigen Frühlingspflanzen imponieren durch ihre Menge besonders die weiße Milchlilie (Ornithogalum tenuifolium), die gelbe Ranunkel und die liebliche rosenrote Stern-Anemone (A. stellata), zu der sich im nördlichen Teile der Insel die blaue Berganemone gesellt (A. apennina). Eine Hauptcharakterpflanze der Rasenplätze ist aber die schöne Affodill-Lilie (Asphodelus fistulosus) mit ihren großen, rötlich-weißen Blütenstrauße: die klassische Pflanze, welche nach Homer die Wiesen der Unterwelt bedeckt. Von Schwertlilien (Iris) gibt es mehrere Arten, teils mit gelben, teil mit blauen, teil mit braunen, zierlich gezeichneten Blumen (Iris unguiculata, I. Sisyrinchium usw.). Auch von den duftigen blauen Muskat-Hyazinthen (Muscari) wachsen hier mehrere Arten häufig; ebenso weiße und rote Zistrosen (Cistus). So findet denn der Blumenfreund überall den Boden mit den lieblichsten Geschenken der Flora bedeckt, und von keiner Exkursion kehrte ich heim, ohne mit einen schönen, duftigen Strauß mitgebracht zu haben, der das Zimmer noch tagelang mit Wohlgeruch erfüllte.
Im Verhältnis zu ihrer Ausdehnung ist die Flora der Insel sehr reich an Gattungen und Arten. Sie verdankt diesen Reichtum zum Teil der vielfachen Einwanderung von Italien einerseits, Griechenland und Dalmation andererseits, zum Teil auch der manngifaltigen Bodenbeschaffenheit. Fruchtbare, fette Rasenerde wechselt mit sterilem, steinigem Felsboden, feuchtes Sumpfland mit trocknen, sonnigen Halden; kalte luftige Berghöhe mti heißem, stillen Tiefland. Im größten Teile von Korfu besteht der Boden aus einem festen, gelblichen Kalke der Kreideformation. Nördlich und westlich von der Stadt aber ist derselbe von Tertiärschichten überlagert; ebensolche, teils mergelig, teils kalkig, und an vielen Stellen reich an Petrefakten, bedecken den südlichsten Teil der Insel.
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