Berg- und Seefahrten (1923)

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Gibraltar, 18. März 1866.

Da vermutlich der Brief, den ich heute abgeschickt habe und der das Tagebuch über unsere Rückfahrt von Lanzarote nach Europa enthält, erst in einigen Wochen nach Jena gelangen wird, Ihr aber doch vielleicht gern hört, daß ich trotz orkanartigen Sturms und Unwetters, trotz Beduinen und Negern, trotz Skorpionen und Schlangen, glücklich und unversehrt wieder in dem lieben alten Europa angelangt bin, so sende ich Euch von hier direkt diese flüchtigen Zeilen.

Gestern, am Sonntag, den 17. März, mittags 3 Uhr habe ich nach viermonatiger Abwesenheit wieder den europäischen Boden betreten, welchen ich am 15. November 1866 verlassen hatte. Ihr könnt Euch kaum vorstellen, welchen blendenden und anziehenden Eindruck Gibraltar, die erste mit europäischer Kultur ausgestattete und noch dazu mit englichem Komfort versehene Stadt auf uns macht, nachdem wir 1/4 Jahr hindurch nur die elenden, öden Hütten Lanzarotes und zuletzt die primitiven Hafenstädte der afrikanischen Nordwestküste gesehen hatten. Alles erscheint uns durch die mächtige Kontrastwirkung hier doppelt angenehm und anziehend, und das Wandern durch die halb spanischen, halb englisch ausgestatteten Straßen mit ihren reichen Läden, ihrem lebendigen europäischen Menschegewühle läßt uns alle Vorzüge und Reize der europäischen Zivilisation lebhaft empfinden. Selbst die mäßige Table d`hote unseres Gasthauses - ein ganz ungewohntes Vergnügen - erscheint uns als ein lukullischens Prunkmahl, nachdem wir 15 Wochen hindurch fast nur in ranzigem Öl gebackene Fische, Fleisch von der Härte der Stiefelsohlen, und Früchte und Eier als einzige Delikatesse genossen haben. Wir wissen nun, wie es bei den "Wilden" außer Europa aussieht!

Gibraltar, 18. März 1866.

Der erste Tage, den wir nach viermonatiger Abwesenheit von Europa heute wieder in unserem mütterlichen Erdteil verlebt haben, gehörte zu den genußreichsten unserer Reise. In der Tat ist Gibraltar eines der merkwürdigsten Städte, nciht allein von Europa, sondern überhaupt von der Erde, ein gewaltiger, überaus kühn und großartig geformter Felsblock, von der Natur selbst zur Festung geschaffen, und durch alle Hilfsmittel der Kriegskunst derart befestigt und verteidigt, daß er vollkommen uneinnehmbar erscheint. Einzig in seiner Lage, an der Meerenge, welche zwei Kontinente trennt und zwei große Ozeane verbindet, beherrscht er dieses Gebiet so vollständig, daß die Engländer als die glücklichen Besitzer sich wohl dieser Herrschaft mit besonderem Stolze rühmen können. Welche Demütigung für die Spanier, die hier den eisernen Fuß Englands fest im Nacken habne und nicht die Kraft besitzen, ihn abzuschütteln. Welcher Kummer auch für frankreich, dessen beiderlei Flotten und Kreigshäfen,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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