Berg- und Seefahrten (1923)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]
schwimmen; leider gingen aber die Wellen zu hoch, und der Kanal war doch zu breit, um es wagen zu können. Zu den anderen Leiden kam auch noch der Hunger, da wir nur auf einen Tag Proviant mitgenommen hatten; und wir mußten uns teils mit halbfaulen Fischen, teils mit Gofio oder geröstetem Maismehl, der Hauptnahrung der Kanarier begnügen. Meine Gefährten, die noch mehr als ich litten, schworen hoch und teuer, niemals wieder ein so vermaledeites Segelboot zu besteigen. Glücklicherweise wurde in der letzten Nacht der Ostwind so stark, daß die Rosalia nicht in ihrem nächsten Bestimmungsort, Puerto Cabras auf Lanzarote, anlaufen konnte, sondern direkt hierher gehen mußte; fast wären wir noch eine fünfte und sechste Nacht unterwegs gewesen!

Von der Bevölkerung der Kanarischen Inseln sind wir nicht sehr erbaut. Sie stehen sehr wenig über dem Gorilla. Wir erfreuen uns alle vier trotz der gewaltigen Strapazen der letzten Wochen der trefflichsten Gesundheit. Das Klima ist herrliche, nur etwas zu heiß. Hier auf Lanzarote gibt es nur Zisternenwasser. Soeben erscheinen drei Dromedare, um unser Gepäck vom Strande nach der Fonda zu befördern. Das einhöckrige Kamel ist hier auf Lanzarote das gewöhnliche Lasttier, daneben existieren noch viele Esel.

Arrecife (Lanzarote), 17. Dezember 1866.

Seit 8 Tagen sind wir nun auf der Insel, welche unsere zoologische Beobachtungsstation für das nächste Vierteljahr und somit das Hauptziel unserer Reise sein wird, Wir haben uns bereits hinreichend umgesehen, um einen vollständigen Eindruck von dem seltsamen Charakter dieses einsamen Eilandes zu besitzen, welches bisher erst von wenigen Naturforschern, und von diesen nur auf wenige Tage, besucht worden ist. Wir sind die ersten Naturforscher, welche auf längere Zeit sich in dem öden Arrecife festsetzen, und zugleich die ersten Zoologen, welche sich Lanzarotes Fauna zum speziellen Untersuchungsobjekt erwählt haben, abgesehen vom Webb und Berthelot, welche nur gelegentlich und nur oberflächlich sich mit derselben beschäftigt haben. So viel wir bis jetzt urteilen können, ist unsere Wahl sehr glücklich gewesen, denn der herrliche Hafen von Arrecife ist nicht nur der beste, oder vielleicht der einzige sichere Hafen der Kanarischen Inseln, sondern er ist für unseren speziellen Zweck, und namentlich für die pelagische Fischerei, so ausgezeichnet günstig, als wir nur irgend wünschen und verlangen können. Leider haben wir bis jetzt unsere eigentliche Arbeit noch nicht beginnen können, da die Wohnung, in welcher wir uns häuslich einrichten werden, erst morgen von ihren bisherigen Besitzern verlassen wird. Anfangs hatte das Auffinden einer passenden oder selbst nur erträglichen Wohnung die größten Schwierigkeiten, und wir können sehr froh sein, daß wir glücklicherweise doch noch eine solche erbeutet haben; auch die verlorenenen letzten 8 Tage können darüber wohl noch verschmerzt werden. Wir haben diese Zeit benutzt, uns in dem


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Bibliothek.
© Kurt Stueber, 2007. Dieses Buch ist geschützt durch die GNU Free Document License. Diese Lizenz erlaubt private und kommerzielle Verwendungen unter den Bedingungen der GNU Free Dokument License. Bei Verwendung von Teilen/Abbildungen bitten wir um die Quellenangabe: www.BioLib.de