"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

9. Brief

Sulza, den 19. Juli 1867.




Mein lieber, einziger Ernst! Wie hast Du mich überrascht und so selig, so wonnig glücklich gemacht, oh ich möchte hoch aufspringen vor Freude, einen so lieben, so herrlichen Menschen ganz mein eigen nennen zu dürfen! - Ach was bist Du doch für eine prächtige, großartige Natur, mein lieber Ernst, mein Ein, mein Alles! - Wie ich mir dagegen vorkomme, ich weiß es nicht! - Du kannst Deine Gefühle so wunderhübsch, so leicht ausdrücken, wie in diesen lieben Versen, die mich so glücklich machen; das kann ich gar nicht so. Wenn mir das Herz so voll ist, werde ich ganz still. - Oh mein liebster Schatz, wie will ich Dich lieben und glücklich zu machen suchen, wenn ich es nur so recht kann mit meinen schwachen Kräften, das erbitte ich von Gott! - Wir sind eben von einem ganz netten Spaziergang zurückgekommen, nachdem Mutterchen gestern wegen abscheulichen Wetters den ganzen lieben langen Tag in der Stube gesteckt hatte; wir waren in Stadtsulza, wo ich Briefe auf die Post gab, einen von Mutter an Clara und dabei von mir einige Zeilen an den garstigen Professor, dem ich so böse war, mich schreibfaul zu nennen, wo ich doch nicht mal Tinte bekommen konnte, um an meinen Bräutigam zu schreiben; nun werde ich Dich beschämen, morgen erhälst Du an einem Tage zwei Briefe! - Wenn das so fortgeht, kann ich immer am Schreibtisch sitzen, was ich jetzt merkwürdigerweise sehr gern tue, sehr gern. Das Bildchen mit der Brieftaube ist zu reizend, liebstes Herz, wie ich da stehe im roten Kleide und gern hinüberspringen mächte zu einen großen wilden Mann, der mir so lieb die Arme entgegenstreckt, ja, wenn ich nur mal rasch zu ihm könnte, dem unaussprechlich geliebten Mann; da es aber nicht sein kann, muß ich es lassen bleibīn und fein geduldig bleiben allhier, träumen von kommender schöner Zeit! Ach das tue ich so gern!

Gestern habe ich Mutter viel aus Deinen Reiseskizzen aus Sizilien vorgelesen. Ich bin ganz entzückt davon, so interessant und anziehend sind sie geschrieben; wie reizend verstehst Du die Natur zu schildern, es fließt Dir alles so leicht aus der Feder; heute Abend werde ich sie zu Ende lesen. -

Sonnabend morgen nach dem Bade. - Eben wollte ich den Brief beendigen, als mir unsere freundliche junge Wirtin lächelnd schon wieder einen Brief aus Jena bringt, sie ist sehr erstaunt über meine Korrespondenz! - Also: Entweder - Oder!! - schreibst Du - Entschluß gefaßt! Nun Liebster, meine Ansicht und Gefühle werden Dir klar genug durch die vorhergehenden Zeilen sein, mehr darf ich gar nicht sagen, sonst wird der Mann, dieser berühmte Naturforscher, gar zu eingebildet! - Ach! Eigentlich ist es keine leichte Aufgabe, Dich zu heiraten, Ernst, Du wirst von all Deinen vielen, furchtbar vielen Freunden so in den Himmell gehoben, daß es Deiner armen Braut ganz ängstlich bei all den Lobeserhebungen und doch auch Zweifeln an Deinem künftigen Glücke zu Mute wird! -

Nun frisch vorwärts, ich kann nicht anders; wenn Du mich denn durchaus haben willst ("an der doch nichts ist"), so mußt Du mich mit allen meinen Fehlern und Schwächen in Kauf nehmen, und ich wünsche mir nur, keinen zu engelhaften Mann zu bekommen, das ist niederdrückend. Also Verlängerung des Verlobungskontraktes um 2-5 Wochen?? Ade! Dein treues Lieb.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999