"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

74. Brief

Jena, 13. August 1871.




Mein liebstes Röschen! Heute über acht Tage bist Du wieder bei mir in unserem lieben kleinen Neste! Wie ich mich darauf freue, kann ich Dir gar nicht sagen. Es waren sechs schauderhafte Wochen hier ohne Dich! Unsere kleine leere Wohnung war mir ordentlich unheimlich, so daß ich den ganzen Tag im Institute zugebracht habe und nur nachts in dem Neugassen-Palais schlief. Wenn Du da bist, wird erst wieder Leben in das verödete Nest kommen. Ich bin sehr neugierig, wie Dir unsere Paradies-Wohnung in ihrem neuen Kleide gefallen wird. Dein großes Prachtzimmer ist ein wirkliches Paradies geworden, und ich hoffe sehr, daß Du nun endlich zufrieden sein wirst. Die neue Auskleidung macht sich prächtig, und der Blick aus den Fenstern ist doch der schönste in Jena.

Dein gestern eingetroffener Brief spricht von derselben Ungeduld und Sehnsucht des Wiedersehens, die mich beseelt. Leider ersehe ich daraus, daß trotz der Bade-Kur Dein altes Leiden immer noch nicht ganz beseitigt ist. Nun hoffentlich kommt der Haupterfolg des Bades und die vollständige Heilung recht bald nach, wie man ja von den meisten Bädern behauptet . . .

Gestern morgen, eben nachdem Dein Brief eingetroffen, wurde ich ganz unerwartet durch den Besuch meines Freundes Allmers überrascht. Er bleibt morgen noch hier und wohnt bei mir. Dienstag wollen wir zusammen nach Schwarzburg fahren und die beiden folgenden Tage durch das Schwarzachtal nach Coburg wandern. Allmers geht von da weiter nach Tirol. Ich fahre Freitag nach Eisenach und werde dich Sonnabend dort erwarten . . .

Hier ist es ganz ferienleer und totenstill. Alles ist bei dem schönen Wetter abgereist. Ich habe die Arbeit gründlich satt und starkes Bedürfnis nach einigen Ruhetagen . . . Auf frohes Wiedersehen, bestes Herz! Es freut sich unendlich Dein treuer Ernst.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999