"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

42. Brief

Jena, den 11. August 1869.




Mein lieber, lieber Ernst! Sehr froh war ich gestern, einen Brieff von Dir zu bekommen, der mir gute Nachricht von meinem teuren Manne brachte, nur die stürmische Fahrt hat mir nicht gefallen. Es ist doch immer ängstlich, und Du mußt Dich nicht so waghalsig auf dem Deck aufhalten, ach Gott, man hat doch immer Angst um diesen unvorsichtigen Mann, aber gefallen scheint Dirīs eigentlich zu meinem Leidwesen sehr gut, meinen Brief wirst Du in Christiania bekommen haben . . .

Mit Deiner Schwammarbeit, liebes Tinchen, habe ich Dich angeführt, da es bei näherer Besichtigung Deine Medusenarbeit (über die Crambessiden) ist. 40 Bücher. Es tut mir leid, da ich Dir die Schwammarbeit gern verschickt hätte. Nun, ein ander Mal! Außerdem sind 4 Stück große, schwarzgebundene Bücher von Leipzig an Dich angekommen (die Contributions to the Natural History of the United States of America by Louis Agassiz). Dann war vorgestern Dr. Kleinenberg da, der mir meldete, daß eine Partie Schwämme aus Leiden an dich angekommen sei, und ob es Dir recht sei, wenn er den Leuten dort die richtige Ankunft derselben meldete, da man es ihnen doch schuldig sei, oder ob er erst an Dich schreiben sollte. Ich habe ihn darauf gebeten, gleich nach Leiden zu schreiben und die Sache abzumachen, was Dir wohl recht sein wird . . .

Bei Strasburger war ich neulich zum Tee, was sagst Du dazu, mein Gatte, bei einem jungen Herrn, der mich noch dazu abholte, zum Tee?? Seine Eltern waren da, seine ganze Familie, die ich kennenlernen sollte, da sie mich, als sie mir einen Besuch machen wollten, nicht getroffen hatten. Wir wollten erst spazierengehen. Da aber das Wetter sehr ungünstig war, blieben wir zusammen beim Tee . . . Die Herren waren äußerst galant gegen Deine kleine Frau und brachten mich zusammen nach Hause, Arm in Arm bei stockfinsterer Nacht mit Deinem Strasburger, was sagst Du dazu? Ja, die Frau will auch ihr Vergnügen in der Abwesenheit ihres Gatten haben! - Strasburger ist noch hier, da bei dem abscheulichen Wetter an keine Tour zu denken ist, er wird später verreisen. Gegenbaur habe ich Deine Tagebuchblätter geschickt und werde sie gleich nach Berlin senden. Seiner Frau geht es immer besser. Von Darwin ist ein Brief an Dich da, überhaupt ist Verschiedenes an Dich angekommen, ja so ein berühmter Mann wird gar nicht fertig mit sich. Auch Miclucho hat einen "Strich" an Dich geschrieben, wie Dohrn es auf einer Visitenkarte bezeichnete. Ich lege Dir sein Zettelchen bei . . .

Nun, mein lieber Herzensernst, lebe wohl, nimm Dich recht, recht in acht, mein liebstes Herz, nähre Dich gut und komme, sobald Du irgend nur kannst, zurück zu Deiner sehnsüchtigen kleinen Frau. Deine Mutter hat mir einen wirklich recht lieben Brief geschrieben.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999