"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

37. Brief

Jena, 9. April 1869.




Mein lieber, süßer Ernst! Ach es ist doch schauderhaft ohne Dich, mein Herzensschatz, das empfinde ich gleich, sobald Du nur 5 Minuten fort von mir bist. Die Abende ohne Dich sind scheußlich, ich esse fast nichts, und wenn ich nicht so vollauf zu arbeiten hätte, könnte ich´s gar nicht aushalten. Mein kleiner Putt ist allerliebst, aber ein kleiner ungeduldiger Kerl, der mir besonders heute, wo ich viel mit Umräumen zu tun hatte, gar nicht folgen wollte . . . Montag oder Dienstag kommen die Teppiche daran. Heute ist unser kleiner Augapfel nicht hinausgekommen, da es nebliges, kaltes Wetter ist, aber gestern hat er die warme schöne Luft ein paar Stunden genossen, und Terese brachte ihn mit munter glänzenden Äuglein wieder. Leider konnte ich nicht mit, da das bekannte Leiden mal wieder da war. Heute aber bin ich so ziemlich verschont damit, trotzdem ich gehörig gewirtschaftet habe, und benütze die ruhige Stunde bei Muttchen, um an Dich zu schreiben. Denke Dir, Herr Professor, ich habe heute schon einen Brief von meinem Liebsten? bekommen, Du wirst wohl erstaunt sein, und Dein Gewissen wird Dich mahnen. Du weißt aber nichts davon, und doch habe ich einen Brief von Dir, denn Du bist doch mein Liebster? Denke Dir, ich habe heute in meiner kleinen Vorratskammer den lang vermißten und nach meinen Gedanken in den Schmutz getretenen Brief beim Umräumen gefunden, mein Vergnügen darüber war groß, und ich las ihn mit recht bräutlichen Gefühlen. Es ist ein lieber, amüsanter Brief, und Du wirst auch beruhigt sein. Wie er dahin gekommen ist, weiß ich nicht. Vorgestern abend aßen Mutter und Clara bei mir, da es mir schrecklich erschien, allein zu Abend zu sein. Ich holte Wälty dazu, der so lieb und spaßhaft wild war, daß Mutter und Clara ihn fast vor Liebe erdrückten. Er ist aber auch mein ganzes Stolzchen! . . . Komme nur bald wieder, lieber Mann, ich sehne mich gewiß tausendmal mehr als Du! Grüße Deine Eltern und Deinen Bruder herzlichst von mir und lobe mich ein wenig, ich glaube, Lotte glaubt es mir nicht. Meine Marie nebst liebem Mann und Kinderchen grüße auch vielmals, und wir freuen uns alle auf ihre Ankunft. Heute hältst Du nun Deinen Vortrag, da werden sie Dir wieder viel Schmeichelhaftes sagen. Adieu! In treuer Liebe Deine alte Frau.





Brief 36..........................................................................................Brief 38



zurück zum Inhaltsverzeichnis




Diese Seite ist Teil von Kurt Stübers online library
erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999