"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

251. Brief

Garavon-Menton, 2. April 1910.




Liebste Agnes! Vor 2 Stunden habe ich Monte Carlo verlassen und bin hierher übergesiedelt, wo ich in einer sehr ruhigen kleinen Pension 8 Tage zu bleiben gedenke. Eine Viertelstunde vor der Abreise erhielt ich endlich Deinen sehnlichst erwarteten Brief. Ich war in großer Sorge um Dein Befinden . . . Die kleine Villa (mit nur 12 Zimmern) liegt sehr idyllisch, unmittelbar am einsamen Meeresstrand, mit schönem Garten (halbwegs zwischen Mentone und dem schönen Mortala-Garten). Ich bin sehr froh, endlich in Ruhe und allein zu sein, nach dem furchtbaren Trubel der Festwoche in Monaco, wo ich mehr als 1000 Menschen sprechen und begrüßen mußte; keine Minute ohne Automobil- und Wagenlärm, - hier alles still, schöne Gärten, ganz ländlich.

Im übrigen waren die 4 Festtage in Monaco höchst interessant und lohnend. Ich schicke Dir morgen die Zeitungen, aus denen Du alles ersehen kannst. Fürst Albert von Monaco war höchst liebenswürdig und hat mich in außerordentlicher Weise geehrt. Denke Dir, daß alle Deckengemälde in den wundervollen Ozeanographischen Museum nach meinen "Kunstformen der Natur" gemalt sind. In der Mitte des herrlichen Vestibüls hängt ein Kronleuchter, der 16 .000 Fr. gekostet hat, eine meiner Medusen aus Insulinde, in den 4 Ecken hängen prächtige Radiolarien Haeckelianae! Über im Museum ist meine Arbeit verewigt! Bei den Festlichkeiten hatte ich überall den besten Platz und wurde mit Ehren und Aufmerksamkeiten aller Art überhäuft. eine Masse alter Bekannter und früherer Schüler begrüßte mich . . . Ich habe die schweren Strapazen und die glänzende Schlemmerei (bei der ich mich sehr in acht nahm) gut überstanden, nur bin ich sehr müde und ruhebedürftig! Näheres im nächsten Brief, ich schließe, damit der Brief gleich heute noch abgeht. Schicke ihn an Walter! Herzlichste Grüße, liebe Frau, und beste Wünsche! . . .

Aus meinem Fenster sehe ich hinüber auf das erleuchtete große Hotel Cap Martin, wo heute Herzog Georg von Meiningen seinen 83. Geburtstag feiert . . .





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999