"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

236. Brief

Santa Margherita, 15. April 1907.




Liebes Röschen! Nach einer wunderlichen Irrfahrt bin ich heute wieder in der Nähe unseres teuren Rapallo zur Ruhe gekommen. Ich verließ Levanto . . . am 11. April, machte einen Abstecher nach Portofino und reiste dann über Genua direkt nach Pegli, in der Hoffnung, daß dort an der Riviera ponente das Wetter wärmer und die Frühlings-Vegetation weiter vorgeschritten sei als hier an der rauheren und kühleren Riviera levante. Aber das war eine Täuschung . . . In Pegli und Genua wird noch flott geheizt . . . Trotzdem sind noch eine Menge Fremde, besonders Deutsche, überall. Die Preise sind hoch, die Hotels überfüllt. Da ich mein Incognito streng bewahre, bin ich von Begegnungen verschont geblieben, mache auch keine Besuche. Nur ein paar Male wurde ich unterwegs erkannt und kurz begrüßt.

In Pegli hatte ich 2 schöne Tage in der prächtigen Villa Pallaricini, deren Park wir vor 14 Jahren zusammen besuchten, und auf einer neuen Straße (Villini), die ähnlich dem Bevigo in San Remo angelegt ist. Rapallo ist kolossal verändert. Seit 3 Jahren sind 1 Dutzend neue Hotels entstanden, große und kleine. Die 5 kleinen, die damals am Strande gebaut wurden, haben sowohl unserem kleinen Eden-Hotel wie den beiden großen (links Royal, rechts Beau Rivage) alle Aussicht genommen. Auch in Margherita und Portofino sind große und teure Hotels entstanden! Die Welt wird immer üppiger, ungemütlicher und teurer. Der Luxus in den modernen Riesenhotels (eleganten Palästen) ist unglaublich gewachsen, widerwärtig!

Meine Reise ist mir gut bekommen. Ich wandere jeden Tag tüchtig, male und lese, schreibe auch viele liegengebliebene Briefe. Hier im Hotel Metropole (früher Villa Sturm) mit dem schönen Garten, der neben Villa Pagana bis an des Meer hinuntergeht, bin ich gut untergekommen. Ich denke 5-6 Tage zu bleiben und etwa nächsten Sonntag die Rückreise anzutreten . . .





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999