"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

17. Brief

Goethe 31. Juli 1817




Obwohl eigentlich der letzte Tag unserer Freundschaft sein sollte, Du böse, arge Schlange, und ich Dich von Rechts wegen zu Deinen Rosen-Verehrern schicken sollte, will ich es dennoch aus purer Gutmütigkeit noch 11 Tage mit Dir versuchen, Du schlimmste unter den Töchtern Evas! Aber dann!

Also wenn Frl. Agnes nichts dawider haben, werde ich Dero Gnaden vielleicht heute nachmittag einen kleinen Besuch abstatten, so etwa zwischen 3 und 4 Uhr. Mit der Fahrt nach Lehesten wird es heute wohl nichts werden, da ich notwendig in die heute abend um 8 Uhr stattfindende erste Sitzung des Wahl- Comités gehen muß. Also fahren wir wohl einen anderen Tag? Wie denkt Fräulan Aha darüber?

Nun muß ich aber doch noch sagen, Du liebstes, süßestes Mädchen, daß ich Dich über alle Maßen (armer Maßholder!) lieb habe, Daß Du ein gar zu herziger, lieber Schelm bist, und daß ich, um Deine Liebe recht zu vergelten, immer der holde, tugendsame, lammfromme Jüngling von gestern mittag - sanft in Stimme, Gebärde und Gang - bleiben werde! Nicht wahr? So hast Du mich gern?

Hoffentlich hast Du so süß geschlafen wie ich! Es grüßt und küßt Dich in Gedanken Dein armer, verschmähter E. Hkl.

Mein liebster, tugendsamer, allerbester Schatz! Ich habe ganz vorzüglich geschlafen. Der kalte Wasserkuß noch zuletzt, gestern abend, hat wahrscheinlich mein erhitztes Gehirn wieder einigemaßen zur Besinnung gebracht, Du üppiger Mann, Du loser, verführerischer Mensch! Ich eine Schlange? Daß ich nicht wüßte?? Ich war ja ein sanftes Lamm in Deinen Armen? Aber es war doch ganz wunderhübsch gestern, mein liebster Ernst, Du warst wirklich hinreißend, und ich jedenfalls bezaubernd (um auf Deine Weise zu sprechen)! Ich habe die Absicht, mit Dir öfters so kleine Fahrten (?) zu machen, sie gefallen mir, und als lammfrommer Jüngling mit sanfter Stimme usw. wirst Du natürlich mir immer zu Füßen liegen? Ich hoffe das Beste!!

Ihr Besuch zwischen 3 und 4 Uhr ist mir angenehm, Herr Senator, obgleich es mir leid tut, daß bei dem heute gut scheinenden Wetter nichts aus der Lehestener Partie wird, Du langweiliger Wahlmensch! Ade, mein süßes, sehr geliebtes Herz, es grüßt und küßt Dich tausendmal Deine sehr sittsame Agnes.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999