"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

132. Brief

Venedig, 27. März 1878, morgens.




Liebste Agnes! Nachdem ich vorgestern (Montag) in Wien die letzten und höchsten Feierlichkeiten glücklich überstanden, fuhr ich gestern mit dem Eilzug in 15 Stunden von Wien nach Triest (von morgens 7 bis abends 10 Uhr). Die Direktion der Südbahn hatte mir ein Freibillet (hin und zurück 1. Klasse) geschenkt, und ich fuhr in einem Coupé 1. Klasse allein, wie ein Fürst! Sehr angenehm, da ich gründlich kaputt und marode war! In Triest wurde ich von dem alten Herrn Krauseneck und dem berühmten Nordpolfahrer Weyprecht am Bahnhof freundlichst empfangen. Wir saßen noch zwei Stunden zusammen in sehr heiterer Unterhaltung. Mitternacht fuhr ich mit dem Dampfschiff ab und war heute morgen 6 Uhr glücklich hier. Herrliches Wetter, nur sehr kalt! Gestern überall dicker Schnee, Ende März eine seltene Ausnahme! Der Pelz tut mir sehr gut . . .

Dir, liebes Röschen, sende ich hiermit noch besondere Grüße und Küsse. Du fehlst mir sehr, liebstes Herz, und ich wollte, Du wärest hier. Ich hoffe, die Kinder sind gesund und munter, auch artig und ruhig (?). Deine Autorität hält sich hoffentlich in Ordnung.

Von der Eau-de-Cologne-Kiste weiß ich direkt nichts. Ich vermute aber, daß einer meiner Kölnischen Freunde Dir damit eine Aufmerksamkeit hat erweisen wollen, da wir allerdings davon sprachen! Wenn Frau Muther nichts Nähers weiß, kannst Du Dir sie ruhig geben lassen. Wahrscheinlich ist die Paket-Anschrift verwechselt worden. Oder die Sache ist sonst schon aufgeklärt. Näheres in den nächsten Tagen. Heute bin ich sehr eilig, um die Nachricht meiner glücklichen Ankunft Dir rasch zu senden . . .





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999