Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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128 7. Paläoklimatische Argumente.

zurückgelassen haben. Weil zur Entwicklung von Inlandeis niedrige Sommertemperaturen das entscheidende Erfordernis sind, die im Innern großer Kontinente wegen der dort großen Jahresschwankung der Temperatur fehlen, braucht sich das Polarklima nicht immer durch Inlandeisspuren zu erkennen zu geben. Umgekehrt haben wir es aber, wo wir solche Spuren finden, zweifellos mit Produkten des Polarklimas zu tun. Am häufigsten findet man die Blocklehme, mit deren Namen treffend das unsortierte Durcheinander von feinstem und gröbstem Material gekennzeichnet wird, das die Moränen auszeichnet. Die Blocklehme der älteren Zeiten sind meist zu festen Gesteinen, Tilliten, verhärtet. Man kennt oder glaubt solche zu kennen aus dem Algonkium, Kambrium, Devon, Karbon, Perm, Miozän, Pliozän und Quartär. Leider sind gerade diesen häufigsten Spuren ehemaliger Inlandeisdecken andere „pseudoglaziale" Konglomerate bisweilen zum Verwechseln ähnlich, die auf gewöhnlicher Schuttbildung beruhen. In letzteren kommen sogar auch Gesteins-glättungen und Schrammen vor, welche gekritztes Geschiebe vortäuschen, in Wirklichkeit aber auf Gleitharnische zurückzuführen sind. Im allgemeinen pflegt man erst dann die glaziale Natur als ganz einwandfrei erwiesen zu betrachten, wenn es gelungen ist, unter dem Blocklehm der Grundmoräne noch die polierte Oberfläche des anstehenden Gesteins nachzuweisen.

Eine andere wichtige Gruppe von Klimazeugnissen bilden die Kohlen, die als fossile Torfschichten aufzufassen sind. Damit ein Wasserbecken vermooren kann, muß es jedenfalls mit Süßwasser gefüllt sein, und dies kann nur in den Regenzonen der Erde, nicht in den Trockengebieten geschehen. Kohle bezeugt also Regenklima, wobei es sich sowohl um die äquatoriale Regenzone als auch um die Regenzone der gemäßigten Breiten, wie auch um das subtropische Regenklima der Monsungebiete an den Osträndern der Kontinente handeln kann. So bildet sich heute Torf in zahlreichen Mooren am Äquator, aber auch in den Subtropen, wo diese feucht sind, und ebenso in den gemäßigten Breiten, wo unter anderem die quartären und postquartären Torfmoore Nordeuropas am längsten bekannt sind. Über die Temperatur erhält man also aus der bloßen Anwesenheit von Kohlenschichten keinen Anhaltspunkt; dazu muß vielmehr der Charakter der Flora herangezogen werden, deren Reste sich in den Kohlenschichten und ihren Nachbarschichten finden. Einen kleinen Fingerzeig, dessen Wert man aber nicht überschätzen darf, gibt auch die Mächtigkeit der Kohlenschichten insofern, als


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003