Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Die malayische Rasse. 487

von Osten kommende Boné in den Bolango, und die Stadt liegt in dem Delta, welches die beiden Flüsse bei ihrer Vereinigung bilden. Die Einfahrt in den Fluß, nahe dessen Mündung die Stadt liegt, ist schön. Granitische, dicht bewachsene Berglehnen schieben sich kulissenartig vor. In der Ferne heben sich die Ketten des gebirgigen Hinterlandes ab. Fischwehre, ähnlich denen, welche ich später oft auf den Molukken gesehen habe, und in deren Erbauung die malayischen Fischer Meister sind, flankieren die Flußmündung. Da unser Schiff den ganzen Tag vor Gorontalo zu bleiben hatte, benutzte ich die Zeit zu einem langen Ausfluge ins Land hinein, indem ich dem Lauf des Stromes folgte und beinahe bis zum See vordrang. Ikin war an diesem Tage krank und konnte mich nicht begleiten. So ging ich allein.

Es ist natürlich, daß, wenn man auf einige Stunden ans Land geht und ohne jede Kenntnis der Topographie aufs Geratewohl herumstreift, das Ergebnis des zoologischen Sammeins selten ein glänzendes ist. Der Zoolog braucht für seine Arbeit Ruhe und Zeit; er muß sich häuslich an einem Ort einrichten können, die Umgebung genau studieren und sich mit den Eingeborenen bekannt machen. Dann, nach Verlauf einer halben oder ganzen Woche, pflegen sich erst die rechten Erfolge einzustellen, und es kommen Tage, an denen man wirklich kaum weiß, wie man die erbeuteten Schätze alle bergen soll. Das Aufreibende und Abspannende in der Tätigkeit des reisenden Zoologen liegt darin, daß er nach den Strapazen des Tages am Abend sich hinsetzen muß, um die erlegten Säugetiere und Vögel abzubalgen, ihre Organe zu präparieren, Schmetterlinge und andere Insekten trocken einzulegen, zartere Geschöpfe nach den Regeln der Kunst durch verschiedene Konservierungsflüssigkeiten in ihrer natürlichen Beschaffenheit zu erhalten, endlich noch seine Notizen zu ordnen und sein Tagebuch zu schreiben.

An jenem Tage hatte ich nun aber gleich von Anfang an gute Sammelerfolge. An den Flußufern wimmelte es von Tausendfüßlern, Käfern und besonders Schmetterlingen. Ich kam an ein kleines Dorf, und als die Jugend desselben sah, daß ich in der Nähe der Anpflanzungen einige Exemplare des zu den Euploeen gehörigen Schmetterlings, Bibisana Diana, fing, umdrängten sie mich mit lebhaften Gesten und redeten auf mich ein. Obwohl ich kein Wort ihrer Sprache verstand, nahm ich an, daß sie mich zu einer besonders günstigen Fangstelle führen wollten, und folgte ihnen. Nach einem viertelstündigen Marsche kamen wir an eine kleine geschützte Talmulde, die nur mäßig von Bäumen bestanden war. Ein reicher


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003