Überfahrt und Buenos Aires

Panorama von Rio

Nach den wirklich angespannten Wochen der Vorbereitung war die Ruhepause auf dem schmucken Schiff mit seinem südländischen Betrieb sehr erfreulich. Es blieb genug Zeit für das Studium der mitgenommenen Literatur und Diskussionen über den Zeitplan, Routen etc. Der kurze Aufenthalt in Rio de Janeiro wurde zum Besuch des Botanischen Gartens und des Tropenwaldes an den Hängen des Corcovado benutzt. In Santos sahen wir uns den Orchideengarten an und hatten eine Besprechung mit dem Phytopathologen Dr. Carl Silberschmidt, den wir telegraphisch aus Sao Paulo hergebeten hatten. Herr Silberschmidt bot uns eine Hilfe bei der Identifizierung von Virus- und anderen Krankheiten an dem Teil des Materials an, das wir der leichten Verderblichkeit wegen statt nach Deutschland, nach Sao Paulo senden sollten. Es war später auch Gelegenheit, sich mit einigen Sachen an ihn zu wenden. - In Montevideo wurde das Naturhistorische Museum aufgesucht, das aber kaum Interessantes zu bieten hat.

Am 31. 1. langten wir in Buenos Aires an. Ein Herr der Deutschen Botschaft hatte sich eingefunden, uns bei der Verzollung zu helfen. Diese sehr schwierige Angelegenheit war nur mithilfe von Mittelmännern zu lösen, die im Bestechungswesen Erfahrung besaßen.

Ein Besuch beim deutschen Botschafter, Herrn Dr. Juncker, zeigte uns das große Interesse, das dort für unsere Expedition vorhanden war. Wir fanden in dem Landwirtschaftsattaché, Herrn Dr. Grabisch, einen freundlichen Helfer beim Zurechtfinden in den nicht immer einfachen Verhältnissen in Buenos Aires.

Inzwischen mußten wir hören, daß der Italia-Frachter mit unserem LKW in Montevideo infolge eines Hafenarbeiterstreiks festlag. Wir nutzten die Zeit zunächst zum Besuch verschiedener Institute.

Straßenscene in Buenos Aires Parkscene in Buenos Aires

Besonderes Entgegenkommen fanden wir bei Professor Burkart, dem Direktor des Institutes "Darwinion" in San Isidro bei Buenos Aires. Wir erhielten durch ihn eine Einführung in die Flora Argentiniens. Wir studierten in seinem Herbarium die Exsikkate von Solanum, Phaseolus etc. Diskussionen über Phaseolus aborigineus und eine entsprechende Urform von Phaseolus lunatus schlossen sich an. Nach Burkarts Ansicht kann auch Phas. lunatus aus einer Wildart fast gleichen taxonomischen Status allein durch Auslese größerer Samen entstanden sein.

Für den nächsten Tag verabredeten wir einen Besuch des Botanischen Gartens der Landwirtschaftlichen Fakultät, dessen Direktor, Dr. Parodi, leider nicht anwesend war. Hier machten wir Bekanntschaft mit einer Anzahl typischer Pflanzen der einheimischen Flora, so daß wir in die Fülle des zu Erwartenden schon einen kleinen Einblick gewannen: interessant die Tonnenbäume von Chorisia insignis und speciosa mit den wasserspeichernden Stämmen, die prächtig blühenden Cassia carnaval, Enterolobium contortisiliquatum, Tipuana tipu, Erythrina crista-galli, weiter den Flußbegleiter Schinus molle, Jacaranda mimosifolia etc. Prof. Burkart ist deutscher Abstammung, und seine Arbeiten, die heute vorwiegend taxonomischer Art sind (Leguminosen), stechen durch ihre Exaktheit unter den meisten argentinischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen recht hervor.

Das Instituto de Fitotecnica der I.N.T.A., das wir weiterhin besuchten, steht unter der Leitung von Ing. José Vallega und hat eine Reihe tüchtiger Mitarbeiter. Weltbekannt sind die Arbeiten von Favret über Mutationsauslösung mit Röntgenstrahlen bei Gerste. Er fand dabei u. a. Resistenz gegen Erysiphe graminis. Jetzt arbeitet er mit dem deutschblütigen Ing. Godeck an einer Caesiumquelle für gamma-Bestrahlungen. Tessi arbeitet mit Weizenrosten, Antonelli mit Tomaten- und Kohlvirosen, Castronovo mit Phytophthora infestans. Das Institut macht einen guten Eindruck.

Ebenfalls in Castelar befand sich das Botanische Institut der I.N.T.A. mit Direktor Ing. Ragonese und den Mitarbeitern Barrett und Dr. Vervoorst. Ing. Ragonese züchtet Weiden und setzt sich vor allem für den Bastard Salix humboldtiana x S. babylonica ein. Herr Dr. Vervoorst, mit dem ich schon lange korrespondierte, war zunächst Geologe, wandte sich dann der Palinologie und Pflanzengeographie zu und verbrachte 1 1/2 Jahre als Humboldstipendiat am Systematisch-geobotanischen Institut Göttingen.

Beide Institute gehören der I.N.T.A. (Instituto Nacional de Tecnologia y Agropecuaria) an, dessen Direktor Ing. Ubaldo Garcia ist. Garcia, ein ehemaliger Schüler Rudorfs aus La Plata hat Entscheidendes zum Erfolg unserer Expedition in Argentinien beigetragen.

Nachdem uns klar wurde, daß mit der Ankunft des Wagens in den nächsten 8 Tagen kaum zu rechnen sei, wurde beschlossen, die Zeit zum Sammeln in Argentinien zu benutzen, das nach dem bisherigen Plan nur gestreift werden sollte. Herr Dr. Rimpau erklärte sich bereit, den Wagen in Buenos Aires abzuwarten und an die bolivianische Grenzstation La Quiaca, den Treffpunkt, zu überführen.

Sicher würde die Expedition in Argentinien effektiver verlaufen, wenn wir einen Botaniker als Begleiter hätten. Hierfür kam nur Dr. Vervoorst in Frage, der auch sogleich einwilligte.

Herr Dr. Grabisch, der Landwirtschaftsattaché der Deutschen Botschaft machte uns mit Ing. Garcia bekannt. Wir trugen ihm unseren Wunsch um Beurlaubung von Dr. Vervoorst, sowie um Fahrkarten für den nächsten Tag und einen Wagen von Tucuman zur bolivianischen Grenze vor. Fahrkarten müssen normalerweise mehrere Tage im Voraus bestellt werden. Ing. Garcia verstand alle Schwierigkeiten zu beseitigen, so daß wir am 8. 2. mit Herrn Dr. Vervoorst den Zug besteigen konnten.

Am Bahnhof

Die Reise im Schlafwagen des völlig überfüllten Zuges war in mehrfacher Hinsicht interessant. Wir lernten zum ersten Mal die ungeheueren Weiten Südamerikas kennen. Fast ohne jede Abwechslung zog sich Stunde um Stunde die einförmige, mit Gräsern, Kompositen, Umbelliferen und xerophilen Sträuchern bestandene Ebene hin. Vom Viehreichtum der Pampa war kaum etwas zu merken. Dennoch ist die Viehzucht das wirtschaftliche Rückgrad des Landes. Daneben spielt Weizen und Mais eine große Rolle, wie auch Lein und Luzerne. Letztere wird stark befallen von einem Schmetterling (Colla spec.). Die heutige floristische Zusammensetzung der Pampa ist nicht mehr die ursprüngliche. Beweidung, Pflügen, Einschleppen fremder Arten haben die natürliche Vegetation weitgehend verdrängt, wenn auch der Charakter einer baumlosen Steppe derselbe geblieben ist. Gelegentlich sieht man aber doch Bäume wie Plantanus, Robinia pseudoacacia, Celtis spinosa, Parkinsonia aculeata, Eucalyptus, Palmen und die charakteristische Phytolacca dioica mit der mächtigen niedrig über dem Boden ausgebreiteten Krone.

Zwischen Ceres und La Bana traten wir in eine recht veränderte Vegetation ein, den Chaco, einen dichten Dornbuschwald, der der höheren Temperatur und den geringeren Niederschlägen sein Dasein verdankt. Auch der Chaco hat in weiten Teilen nicht mehr seine ursprüngliche Artenzusammensetzung. Vor allem haben die Nutzhölzer Quebracho blanco (Aspidosperma quebracho-blanco) und Quebracho colorado (Schinopsis quebracho-colorado) sehr abgenommen. Wichtige Bäume sind weiter die beiden Algarrobo-Arten Prosopis alba und nigra, deren Hülsen essbar sind und auch vergoren werden können. Kakteen und eine große Anzahl meist bedornter Leguminosensträucher und -bäume formen außerdem die Vegetation.

Von knollentragenden Solanumarten finden sich sich überall in der Ebene verstreut Angehörige der Serie Commersoniana, wie S. chacoense und S. commersonii. Hier scheint die Heimat dieser Serie zu sein, die aber, wie wir sehen werden, mit einigen Vertretern auch bis 1500m ins Gebirge hinaufgehen kann.